Ein ohrenbetäubender Knall hallte durch die Dunkelheit, als Nate seine Hand gegen den kalten, harten Boden schlug.
Schmerz schoss durch seine Finger, aber das war ihm egal. Er biss die Zähne zusammen, atmete schwer und sein ganzer Körper zitterte vor den qualvollen Schmerzen, die immer noch unter seiner Haut pulsierten. Sein Inneres brannte, als wäre es von den eindringenden Schatten verbrannt worden, seine Glieder waren schwer, seine Sicht flackerte – aber er weigerte sich aufzuhören.
Sein Verstand schrie ihn an und warnte ihn, dass er am Ende war. Aber Grenzen bedeuteten jetzt nichts mehr.
Mit einem wütenden Knurren zwang er sich aufzustehen, jede Bewegung ein Kampf gegen die erdrückende Kraft, die ihn niederdrückte. Er taumelte vorwärts, einen qualvollen Schritt nach dem anderen, seine Beine gehorchten ihm kaum noch, sein Körper schrie vor Schmerz.
„Beweg dich, verdammt!“
Er biss die Zähne zusammen, verbrachte seine letzte mentale Energie und trieb seinen Körper über seine Grenzen hinaus. Jeder Schritt fühlte sich an, als würde er durch Treibsand waten, aber er weigerte sich, anzuhalten.
Und dann –
Durch die wirbelnde Masse der Dunkelheit sah er es.
Eine Gestalt.
Kaum sichtbar, nur ein verschwommenes Bild in der erstickenden Leere.
Sera.
Sie stand in der Mitte, bewegungslos, den Kopf nach unten geneigt, als wäre sie in einem endlosen Abgrund verloren. Die Schatten wanden sich um sie herum, schwarze Rauchschwaden, die sich zusammenrollten und krümmten, pulsierend wie ein lebendes Wesen, das atmete und sich von allem um sich herum ernährte.
Ihre Anwesenheit fühlte sich falsch an.
Nicht nur mächtig – falsch.
Als hätte etwas ihre Seele gepackt und weigerte sich, sie loszulassen.
Nate stockte der Atem.
Er dachte nicht nach. Er reagierte einfach.
Er streckte die Hand aus, seine Finger zitterten, als sie sich durch die dichte Dunkelheit zu ihr hinbewegten. In dem Moment, als seine Hand ihre Schulter berührte –
änderte sich alles.
Ihr Körper zuckte zusammen, als hätte ihn ein Blitz getroffen, ihre Augen weiteten sich und ihre Pupillen vergrößerten sich.
Ein scharfer Atemstoß entriss sich ihren Lippen, als sie endlich wieder klar sehen konnte. Ihr Blick huschte zu Nate, ihr Gesichtsausdruck war zunächst ausdruckslos, dann verwandelte er sich in etwas Zerbrechliches, etwas Entsetztes.
Nate spürte genau den Moment, in dem sie wieder zu sich kam.
Den Augenblick, in dem sie begriff.
Die Dunkelheit löste sich auf.
Wie eine zurückfließende Flutwelle zogen sich die Schatten zurück und wirbelten wie ein zusammenbrechender Sturm auf sie zu. Die stickige Luft wurde dünner, die Last auf Nates Schultern wurde leichter, und zum ersten Mal seit Beginn dieses Albtraums wurde die Stadt wieder sichtbar.
Aber mit dem Licht kam auch die Wahrheit ans Licht.
Hunderte von Leichen lagen auf dem Boden verstreut.
Menschen.
Keine Krieger.
Keine Feinde.
Unschuldige.
Männer, Frauen, Kinder.
Leblos. Mumifiziert.
Von ihnen war nichts übrig geblieben außer verdorrten Hüllen, deren Haut schrumpelig und straff an den Knochen klebte, deren Münder in stummen, ewigen Schreien erstarrt waren.
Sera stockte der Atem.
Ihre Hände zitterten heftig.
Sie machte einen Schritt zurück, ihre Knie gaben nach und sie sank zu Boden.
Tränen traten ihr in die Augen.
„Nein …“ Ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. Dann wurde sie lauter. „Nein … nein, nein, nein …“
Ihre Hände umklammerten ihren Kopf, als wollte sie die Realität wegreißen, als würde sie verschwinden, wenn sie sie leugnete. Aber das würde sie nicht.
Es war real.
Sie waren tot.
Und sie hatte sie getötet.
Ihr ganzer Körper zitterte, als Schluchzer sie erschütterten, ihre Finger krallten sich in ihre Kopfhaut und zogen verzweifelt an ihren Haaren. „Ich – ich wollte nicht … ich …“
Ihr Blick hob sich zu Nate, ihr Gesichtsausdruck war gebrochen.
„Es tut mir leid“, würgte sie hervor, Tränen liefen ihr über die Wangen. „Es tut mir so leid.“
Nate kniete sich neben sie, sein Gesichtsausdruck unlesbar. Er wollte ihr sagen, dass es nicht ihre Schuld war. Dass sie das nicht gewollt hatte.
Aber diese Worte fühlten sich leer an.
Denn die Wahrheit war –
Es war passiert.
Und nichts, was er sagen konnte, würde sie zurückbringen.
„Es ist jetzt okay“, flüsterte er mit fester Stimme.
Aber in seinem Herzen wusste er –
Es würde nie wieder okay sein.
Sera würde nie wieder okay sein.
Und als sie dort zitternd kniete, versunken in ihrer eigenen Trauer, spürte Nate es plötzlich.
Diese Präsenz.
Hinter ihm.
Ein Gefühl, das ihn so sehr erstickte, dass ihm ein eisiger Schauer über den Rücken lief.
Seine Muskeln spannten sich an, als ein Flüstern von etwas Urtümlichem, etwas Unheimlichem durch seinen Kopf schoss.
Es sprach nicht.
Und doch, irgendwie –
verstand er es.
Es wollte Sera tot sehen.
Es sagte ihm:
„Sie hätte in diesem Tunnel sterben sollen.“
Nate umklammerte Sera fester, während sich sein Kiefer zusammenpresste.
Und dann –
zum ersten Mal –
sah er es.
Das Ding, das sie beobachtet hatte. Verfolgt. Gewartet.
Die Gestalt, die auftauchte, war fast menschlich –
aber nur auf höchst beunruhigende Weise.
Ihr Körper war skelettartig, ihre Haut trocken und grau, so straff über die Knochen gespannt, dass sie mumifiziert wirkte. Ihre Arme waren lang, unnatürlich, mit gezackten Klauen an den Fingern, die von einer dunklen, giftigen Substanz glänzten.
Aber das Schlimmste –
das, was Nate den Atem stocken ließ –
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Es machte keinen Mucks.
Es beobachtete nur.
Es starrte Nate an.
Es wartete.
Die Luft wurde augenblicklich eiskalt.
Nate hatte kaum Zeit zu reagieren, bevor es sich bewegte.
Eine verschwommene Bewegung – schneller als alles, was er je gesehen hatte.
Seine Instinkte schrien ihn an.
Weg da!
Ohne zu zögern sprang er vor, schlang einen Arm um Seras Taille und riss sie vom Boden hoch. Sie schnappte nach Luft, als ihre Füße den Boden verließen, und ihr Atem stockte bei der plötzlichen Geschwindigkeit.
„Nate –?!“
Aber er antwortete nicht.
Er konnte nicht.
Denn nur er konnte es sehen.
Und es kam näher.
Seine Beine brannten, als er durch die zerstörte Stadt rannte, sein Körper war schon total fertig von allem, was passiert war. Er war nicht so schnell wie sonst – das spürte er. Seine Muskeln waren schwer, sein Atem ging stoßweise, sein Blitz flackerte nur noch schwach. Die Nachwirkungen von Seras Dunkelheit hielten ihn immer noch zurück und machten ihn langsamer.
Und er trug sie.
Sera war leicht, aber jedes Gramm zählte. Jedes bisschen Gewicht bedeutete einen Bruchteil einer Sekunde Verlust.
Dann –
Cleo.
Als Nate an ihr vorbeirannte, dachte er nicht einmal nach – sein Arm schoss nach vorne, packte sie an der Taille und hob sie an seine Brust.
„NATE –?!“ schrie Cleo und krallte ihre kleinen Hände vor Schreck in sein Hemd.
Trotzdem hielt er nicht an. Er konnte nicht anhalten.
Er konnte es hinter sich hören.
Das Ding war unerbittlich, glitt durch die Luft, als wäre es schwerelos, unbeeindruckt von Gelände, Physik – von allem. Das Geräusch seiner Bewegung war unheimlich, ein flüsterndes, verzerrtes Rascheln, das ihm Schauer über den Rücken jagte.
Und es war schnell.
Unnatürlich schnell.
Selbst bei voller Geschwindigkeit hätte Nate nicht darauf vertrauen können, dass er schneller war. Aber jetzt?
Jetzt wurde er langsamer.
Er umklammerte Sera und Cleo fester, während sein Atem schwerer wurde.
Er musste einen Plan haben.
Er musste dieses Ding abschütteln.
Aber wie?
Seine Augen huschten verzweifelt umher. Die Stadt war kaum noch zu erkennen – zerbröckelte Mauern, umgestürzte Säulen, die Überreste von Häusern, die durch Seras Ausbruch zerstört worden waren. Es gab zwar Verstecke, aber keines, in dem sie lange sicher gewesen wären.
Ich kann nicht ewig weiterlaufen.
Seine Sicht verschwamm an den Rändern.
Seine Ausdauer ließ nach.
Seine Geschwindigkeit nahm ab.
Und die Kreatur –
sie holte auf.