Kael öffnete langsam die Augen und fühlte sich leicht, fast so, als würde er schweben. Das Letzte, woran er sich erinnern konnte, war, wie er erschöpft auf den Boden gefallen war, aber jetzt spürte er etwas Warmes und Feuchtes auf seinem Gesicht. Verwirrt blinzelte er und versuchte sich zu bewegen, aber er hatte kaum Kraft und seine Muskeln waren total müde.
„Was …?“, murmelte er und versuchte, sich zu orientieren, aber bevor er den Gedanken zu Ende bringen konnte, berührte eine warme, klebrige Zunge wieder seine Haut, und er drehte den Kopf und sah dasselbe Wesen, dem er zuvor begegnet war – das kleine Wesen, das ihm geholfen hatte, die Wunde an seinem Arm zu heilen.
Da war es, mit seinen hellen Augen und seinem neugierigen Blick. Seine Bewegungen waren sanft, fast so, als wolle es ihn liebevoll wecken, wie ein Tier, das seinen Besitzer aufwecken will.
Kael sah es mit überraschtem Gesichtsausdruck an, noch etwas benommen. „Du … weckst du mich auf?“, fragte er mit heiserer Stimme.
Das Wesen nickte leicht, seine Augen waren konzentriert und aufmerksam auf ihn gerichtet. Es schien sich um ihn gekümmert zu haben, während er bewusstlos war, als hätte es dort gewartet, bis er aufwachte. Kael schwieg einen Moment lang und versuchte, die Situation zu begreifen. Wie hatte dieses Wesen ihn hier gefunden? Und warum war es so … vorsichtig?
Er setzte sich langsam auf und spürte noch ein bisschen Schmerzen in seinen Muskeln, aber seine Armwunde war schon komplett verheilt, viel schneller, als er gedacht hätte. Er sah das Wesen an und erkannte dann: Es war kein gewöhnlicher Jäger. Es schien eine besondere Verbindung zu seiner Umgebung zu haben und war vielleicht sogar intelligenter, als er zuerst angenommen hatte.
„Du hast meine Wunde geheilt … Was bist du?“, murmelte Kael mehr zu sich selbst als zu dem Wesen.
Sie antwortete nicht mit Worten, sondern mit einem neugierigen Blick, als würde sie darauf warten, dass er etwas Tieferes verstand. Sie trat einen Schritt zurück und deutete mit dem Kopf in die Dunkelheit der Höhle, als wolle sie auf etwas hinter ihr hinweisen. Vielleicht war das ein Zeichen dafür, dass diese Höhle mehr zu bieten hatte, als er gedacht hatte, oder dass sie wollte, dass er ihr folgte.
Kael, der noch etwas benommen war, sah sich um. Es war jetzt still, aber er wusste, dass er sich keine lange Verschnaufpause gönnen durfte. Der Kampf mit der Spinnenkönigin hatte fast all seine Kraft gekostet, aber er schien noch am Leben zu sein, und so überraschend das auch war, bedeutete es, dass das Überleben noch in Reichweite lag.
„Okay … Okay, ich folge dir“, sagte Kael und fühlte sich wacher, als er sich mühsam aufrappelte. Er sah sich kurz um, aber die Höhle war in Schatten getaucht, und das einzige Geräusch, das er hören konnte, war sein eigener Herzschlag. „Mal sehen, was du mir zu bieten hast.“
Die Kreatur ging voraus, ihre Schritte waren leise und schnell, und führte Kael tiefer in die Höhle hinein. Er hatte das seltsame Gefühl, dass er selbst in dieser dunklen und unbekannten Umgebung nicht ganz allein war. Da war noch etwas anderes, etwas jenseits der feuchten Wände und dichten Spinnweben.
Kael blieb still und ließ sich von der Kreatur führen, denn er wusste, dass er ihr folgen musste, wenn er Antworten haben wollte.
Er wusste nicht, was ihn noch erwarten würde, aber irgendetwas sagte ihm, dass dieses Wesen mit seinem instinktiven und geheimnisvollen Verhalten genau wusste, wohin es ihn führte.
„Ich weiß nicht, was du bist … aber ich hoffe, du weißt, was du tust“, murmelte Kael, während Zweifel und Neugierde ihn überkamen. Aber etwas in ihm, sein Bauchgefühl, sagte ihm, dass er auf dem richtigen Weg war.
Kael folgte dem kleinen Wesen durch die engen Gänge der Höhle und musste mit jedem Schritt schwierigere Passagen bewältigen. An einigen Stellen schlossen sich die Wände um ihn herum und zwangen ihn, sich hindurchzuquetschen, an anderen musste er sich ducken, um dichten, dicken Spinnweben auszuweichen. Trotzdem schien das Wesen immer ganz entspannt zu sein und bewegte sich mit beeindruckender Geschicklichkeit, als würde es jede Kurve und jede Nische des Ortes kennen.
Es hielt ständig an, um sich umzusehen und sicherzugehen, dass Kael ihm folgte. Er fand es seltsam, dass dieses kleine Wesen geduldiger und aufmerksamer zu sein schien als viele Menschen, die er in seinem Leben kennengelernt hatte. „Du scheinst wirklich entschlossen zu sein, mir zu helfen, was?“, sagte Kael in einem leichteren Tonfall, während er sich durch eine besonders enge Öffnung manövrierte.
Je weiter sie vorankamen, desto mehr spürte Kael etwas Seltsames in der Luft. Zuerst war es nur ein leichtes Kribbeln auf seiner Haut.
Je tiefer sie jedoch vordrangen, desto stärker wurde es. Er blieb einen Moment stehen und runzelte die Stirn. „Was ist das …?“
Es war etwas in der Umgebung, das er nicht ignorieren konnte – eine Präsenz. Sie war nicht feindselig, aber mächtig. Eine so dichte Konzentration von Mana, dass er sie fast in der Luft wirbeln sehen konnte. Er schloss für einen Moment die Augen und spürte, wie die Energie langsam in seinen Körper eindrang. Sein Herz schlug schneller.
„Ich nehme Mana auf?“, flüsterte er ungläubig.
Normalerweise regenerierte sich sein Mana nur langsam und er brauchte dafür Ruhe oder externe Ressourcen, aber hier war es, als würde die Luft ihn wiederbeleben. Er ballte die Hand zur Faust und spürte, wie die Energie wieder durch seinen Körper pulsierte. Seine Kraft kehrte zurück, was ihn total überraschte.
Die Kreatur schien sein Zögern zu bemerken und wartete geduldig auf ihn. Ihre hellen Augen schienen zu fragen: „Ist alles in Ordnung?“ Kael lächelte schwach und nickte. „Ja, mir geht es gut. Lass uns weitergehen.“
Je weiter sie kamen, desto dichter wurde die Manadichte. Es fühlte sich an, als befänden sie sich in einem unsichtbaren See, jeder Atemzug füllte seine Lungen mit purer Kraft.
Kael hielt erneut an, um seinen Status über das System zu überprüfen, und zu seiner Überraschung sah er, dass seine Manaleiste fast voll war, was er in so kurzer Zeit ohne Pause für unmöglich gehalten hatte.
„Das ist verrückt. Ich habe noch nie einen Ort wie diesen gesehen“, murmelte er und sah sich um. „Die Menge an Energie hier … Es ist fast, als wäre sie lebendig.“
Sie passierten eine besonders enge Spalte, sodass Kael sich erneut durch die rauen Felsen zwängen musste. Die Kanten schnitten ihm leicht in die Haut, aber er ignorierte das unangenehme Gefühl. Das kleine Wesen wartete geduldig auf der anderen Seite, saß da und beobachtete ihn mit seinen hellen, neugierigen Augen. Als Kael endlich auftauchte und sich den Staub von den Händen wischte, blieb er erstaunt stehen.
Vor ihm erstreckte sich eine riesige Halle, so groß, dass es unmöglich schien, dass sie in dieser Höhle versteckt sein konnte. Die Decke war mit Stalaktiten bedeckt, von denen einige so groß waren, dass sie fast den Boden berührten. Langsame Tropfen fielen von den Spitzen der Felsformationen und tauchten in einen riesigen See darunter, dessen Oberfläche in einem durchscheinenden Blau schimmerte.
Der See schien aus reinem Mana zu bestehen und strahlte ein ätherisches Leuchten aus, das die ganze Halle in ein sanftes, faszinierendes Licht tauchte. Jeder Tropfen, der ins Wasser fiel, erzeugte Wellen, die sich langsam ausbreiteten, als würde die Zeit dort anders fließen.
Kael machte ein paar zögerliche Schritte, unfähig, den Blick abzuwenden. „Das … das ist unglaublich. Es ist wie das Herz einer Welt.“
Seine Stimme hallte leise durch die Halle und vermischte sich mit dem Geräusch des tropfenden Wassers und dem fast unhörbaren Summen von reinem Mana, das den Raum erfüllte.
Doch dann erregte etwas noch Beeindruckenderes seine Aufmerksamkeit und ließ sein Herz höher schlagen. In der Mitte des Sees, auf einer kleinen Insel, die von dem leuchtenden Wasser umgeben war, befand sich ein prächtiges Wesen.
Es war ein Drache.
Sein Körper war selbst in ruhender Position riesig, mit Schuppen, die reinweiß glänzten, das Licht des Sees reflektierten und einen prismatischen Effekt um seine Gestalt erzeugten. Seine Flügel waren gefaltet, aber Kael konnte sehen, dass sie, wenn sie ausgebreitet waren, groß genug waren, um einen Großteil der Halle zu bedecken. Der Kopf des Drachen ruhte auf seinen Vorderpfoten, seine Augen waren geschlossen, aber Kael konnte nicht umhin, eine überwältigende Aura zu spüren, die von dem Wesen ausging.
Es war, als wäre die Luft um ihn herum von Ehrfurcht und roher Kraft erfüllt.
„Ein weißer Drache …“, flüsterte Kael, unfähig zu glauben, was er sah. Er hatte Geschichten über Drachen gehört, aber einen zu sehen, war etwas, das nur in Legenden vorkam. Und doch war er hier, majestätisch und furchterregend, und ruhte, als wäre er der Wächter dieses Mana-Heiligtums.
Das kleine Wesen neben Kael machte ein paar Schritte vorwärts und blieb am Rand des Sees stehen. Es drehte seinen Kopf zu Kael und gab ein leises Geräusch von sich, fast wie ein Murmeln, das ihn ermutigte, näher zu kommen.
„Das kann doch nicht wahr sein …“, murmelte Kael und schluckte schwer. Er machte noch ein paar vorsichtige Schritte und versuchte, kein Geräusch zu machen. Jede Bewegung schien in der Halle widerzuhallen, verstärkt durch die fast übernatürliche Stille des Ortes.
Der Drache bewegte sich nicht. Sein Atem ging langsam und gleichmäßig, seine Brust hob und senkte sich wie ein lebender Berg. Kael spürte, wie seine Beine leicht zitterten, als er näher kam. Die Energie in der Luft war so intensiv, dass sie seine Haut und Knochen zu durchdringen schien und ihn fast erstickte. Trotz all der Mana, die er unterwegs zurückgewonnen hatte, fühlte er sich winzig und unbedeutend vor dieser kolossalen Präsenz.
Als er schließlich stehen blieb, stand Kael am Rand des Sees und beobachtete den Drachen mit einer Mischung aus Angst und Faszination. Er wusste nicht, ob das Wesen wirklich schlief oder nur so tat, um auf den richtigen Moment zum Angriff zu warten. Dennoch konnte er nicht umhin, seine Schönheit und Erhabenheit zu bewundern.
„Wenn ich hier nicht in Stücke gerissen werde, ist das ein Wunder …“, murmelte Kael leise, fast unhörbar in der riesigen Halle, während sein Blick auf das gewaltige Wesen vor ihm geheftet blieb. Er wusste nicht, ob er zurückweichen oder sich verstecken sollte, aber etwas an diesem Anblick hielt ihn fest.
Plötzlich lief ihm ein Schauer über den Rücken, als hätte sich die Luft um ihn herum verändert. Eine tiefe, hallende Stimme hallte direkt in seinem Kopf wider, aufgeladen mit einer Kraft, die so überwältigend war, dass seine Knie fast nachgaben.
„Du siehst nicht ängstlich aus, menschliches Kind.“
Kael erstarrte und hielt den Atem an. Langsam hob er den Blick und sah, wie sich die leuchtenden Iris des Drachen öffneten. Zwei durchdringende, intensiv blaue Augen, wie Juwelen, die den Himmel selbst enthielten, waren nun auf ihn gerichtet.