Leons Augen brannten golden, als er beide Hände hob und einen riesigen Speer aus verschmolzener Magie formte – dessen Schaft in goldenem Licht leuchtete, durch den Blutadern pulsierten und an dessen Spitze schwarze Flammen wirbelten.
Er schleuderte ihn wie einen Blitz.
Der Speer traf den Wächter mitten in die Brust – zerschmetterte seine Rüstung und schleuderte ihn mit einem Schrei voller Schmerz und Wut gegen den Thron.
Staub und blutroter Nebel füllten die Luft, während die Kammer heftig bebte.
Ravina hob einen Arm, um ihr Gesicht zu schützen. „Hat er …?“
Der Staub legte sich.
Der Blutwächter bewegte sich noch – kaum. Auf einem Knie liegend, die Brust hob und senkte sich, stieß er einen letzten Schrei der Trotzigkeit aus.
Leon ging ruhig vorwärts und streckte seine Hand aus.
Aus der Brust der Kreatur trat ein Symbol hervor – die Form eines Herzens, umgeben von dornigen Adern, das tiefrot leuchtete.
Das Blutsiegel.
Es pulsierte … einmal … zweimal … dann schoss es nach vorne und bohrte sich in Leons Brust.
Er taumelte, als die Magie des Siegels mit ihm verschmolz und sich durch Muskeln, Seele und Magie gleichermaßen friss. Blut schoss wie geschmolzene Lava durch seine Adern und formte sein Wesen neu.
Für einen kurzen Moment sah Leon jeden Tropfen Blut in seinem Körper, jeden Zauber, den er damit wirken konnte, jedes Leben, das er mit einem einzigen Gedanken beenden – oder retten – konnte.
Er öffnete die Augen.
Und sie leuchteten rotgolden.
Ravina trat vorsichtig vor. „Alles okay?“
Leon holte tief Luft. Dann grinste er.
„Nie besser. Der Kern ist an seinem Platz.“
Sie lächelte schwach. „Dann ist es Zeit für das letzte Siegel. Das Seelensiegel.“
Leon wandte sich dem dunklen Ausgang des Mausoleums zu, wobei seine Gestalt wie Hitze vor Kraft strahlte.
„Geh voran.“
Während sie gingen, warf Ravina gelegentlich einen Blick zurück auf Leon, der seinen Blick auf den Weg vor sich gerichtet hielt. Dann sagte sie mit einer kleinen Bewegung ihres Handgelenks: „Im Moment nähert sich deine Kraft der Stufe VIII.“
„Kein Wunder, dass ich mich so gut fühle“, antwortete Leon und bewegte leicht seine Finger.
„Gewöhn dich aber nicht daran“, fügte sie mit einem leichten Lächeln hinzu. „Diese Kraft wird verschwinden, sobald du den Schatz des Blutkönigs hast.“
„Die Siegel werden nach einiger Zeit wieder brechen und an ihren ursprünglichen Platz zurückkehren“, erklärte sie, als Leon den Kopf neigte.
„Hm … Wenn ich den Schatz des Blutkönigs hole, was bleibt dann noch übrig?“, fragte er.
„Er wurde schon zweimal entfernt“, antwortete sie, „aber irgendwie taucht er immer wieder auf. Niemand weiß wirklich, wie das geht, aber selbst wenn du ihn bekommst, wird er einfach wieder erscheinen. Mach dir also keine Sorgen.“
Leon nickte langsam. „Trotzdem … Ich werde diese Kräfte vermissen, wenn sie verschwinden.“
Ravina sah ihn verständnisvoll an und nickte.
Sie waren durch zerbrochene Reiche, alte Gräber und verfluchte Blutflüsse gereist. Und nun standen sie endlich am Rande der Realität selbst.
Der Himmel war verschwunden.
An seiner Stelle erstreckte sich ein endloser Abgrund – pechschwarz, mit schwachen Strähnen aus ätherischem Nebel, die wie unruhige Geister durch die Luft wirbelten. Genau in der Mitte stand ein schwarzer Monolith, zerrissen und in der Luft schwebend, umgeben von Hunderten von langsam umkreisenden Seelenkugeln – jede pulsierte sanft wie ein leiser Herzschlag.
„Das Heiligtum der Leere“, flüsterte Ravina mit kaum hörbarer Stimme, als hätte sie Angst, die Stille zu stören. „Hier befindet sich das letzte Siegel … das Seelensiegel.“
Leon trat vor, und der Boden unter ihm verwandelte sich in durchscheinenden schwarzen Stein. „Und der Hüter der Seelen?“
„Er ist immer hier“, antwortete sie und zeigte auf die ausgehöhlten Stufen, die hinunter ins Herz des Heiligtums führten. „Er wartet. Er nährt sich. Er beobachtet. Nicht Stärke allein kann ihn besiegen … nur Angriffe, die mit den Gesetzen der Seele oder der Wahren Absicht erfüllt sind, können ihm etwas anhaben.“
Leon kniff die Augen zusammen. „Dann ist es gut, dass ich ein bisschen davon habe“, murmelte er und ballte die Faust, während ein schwacher, feuriger Impuls des Gesetzes der Zerstörung in seiner Handfläche aufloderte. Inmitten des chaotischen Feuers flackerte etwas – so klein, dass man es leicht übersehen konnte –, eine Spur von etwas Tieferem, Reinerem.
Wahre Absicht.
Selbst wenn es nur 0,1 % waren, reichte es aus. Es reichte aus, um Illusionen zu durchbrechen. Es reichte aus, um seelengebundene Abwehrkräfte zu durchdringen. Es reichte aus, um eine Chance zu haben.
In dem Moment, als Leon einen Schritt nach vorne machte, pulsierte der Zufluchtsort. Schatten verdrehten sich und die Luft wurde von Druck erfüllt. Ein leises Summen hallte durch die Leere.
Dann erschien er.
Der Hüter der Seelen – eine hoch aufragende Gestalt, gehüllt in Roben aus Leere-Seide, das Gesicht hinter einer Maske aus schwarzem Knochen verborgen. Ketten aus weinenden Geistern umschlangen seine Glieder wie eine Rüstung, und in seiner Hand hielt er eine Klinge, die vollständig aus verdichteter Seelenessenz bestand und wie blaues Feuer flackerte.
„Ich sehe, du bist gekommen, um etwas zu holen, das den Sterblichen nicht gehört“, hallte die Stimme des Wächters wider, jedes Wort von uralter Schwere durchdrungen. „Du suchst das Seelensiegel … dann opfere deine Seele als Tribut.“
Leon zuckte nicht mit der Wimper. Stattdessen trat er vor, goldenes Licht glänzte schwach in seinen Augen. „Sorry, ich biete nur eine Tracht Prügel an.“
Er hob die Hand – und entfesselte einen purpurroten, goldenen Zerstörungsstrahl, der mit einem flimmernden, seelenzerstörenden Licht durchsetzt war.
Der Schrein bebte.
Leons erster Schlag – ein Speer aus goldrotem Zerstörungszauber, der von einem schwachen Flackern der Wahren Absicht durchdrungen war – schoss wie ein Komet auf den Wächter zu. Er traf ihn in der Brust, und für einen Moment zitterte die Geisterfeuerklinge in der Hand des Wächters.
Doch dann –
Knack!
Die Energie zerbrach wie Glas. Der Wächter stand ungerührt da, seine Maske starrte Leon mit seelenlosen, glühenden Augen an. Der Aufprall versengte kaum seine Robe.
„Ist das alles, was du aufbringen kannst?“, fragte der Wächter mit emotionsloser Stimme. Dann verschwand er in einer einzigen verschwommenen Bewegung.
Leons Augen weiteten sich – zu spät.
KRACH!
Die Geisterfeuerklinge schlug in seine Seite und schleuderte ihn wie einen zerbrochenen Pfeil über den von Leere erhellten Boden. Seine Rippen brachen hörbar, und Blut spritzte aus seinem Mund, während er durch die Luft flog. Er rollte sich ab und konnte sich gerade noch an einer Wand aus Zerstörungsmagie festhalten, bevor er gegen den Rand des Heiligtums prallte.
Leon hustete und sank auf ein Knie. „Schnell …“
Der Wächter tauchte wieder vor ihm auf – still, gnadenlos. Ein Hieb, zwei – Ketten schossen aus den Schatten hervor, fesselten Leons Knöchel und rissen ihn mitten in seiner Ausweichbewegung zurück.
SCHNITT!
Eine tiefe Wunde riss sich über Leons Rücken, sein Mantel zerfetzte. Blau-weißes Seelenfeuer versengte seine Haut, und er schrie, als die Klinge sich durch sein Innerstes brannte. Der Schaden war nicht körperlich – er war seelisch. Seine Sicht flackerte. Seine Seele zitterte in seinem Körper.
[Warnung: Seelenintegrität sinkt unter 70 %]