Die Schlacht tobte schon eine ganze Weile.
Die Nachtluft war voll von dem Geruch von verbranntem Gummi und versengtem Asphalt, gemischt mit dem metallischen Geruch von Blut aus Anyas aufgeplatzter Lippe.
Die Echos ihrer vorherigen Zusammenstöße hallten noch immer durch die Straßen – zerbrochener Beton, verbogene Straßenschilder und tiefe Furchen, die durch die Wucht ihrer Angriffe in die Straße gerissen worden waren.
Anya schlängelte sich durch den Sturm aus Hieben, ihre Muskeln angespannt wie Stahlseile, als sie knapp dem glänzenden horizontalen Bogen von Mar’Garets Speer auswich.
Die Speerspitze zerschnitt die Luft mit einem eindringlichen Pfeifen, so scharf, dass allein die Wucht ihres Vorbeiflugs ein Kribbeln auf ihrer Haut hinterließ.
Schnell. Zu schnell.
Ein einziger Kratzer konnte tödlich sein. Das hatte Anya bereits auf die harte Tour gelernt, als ein oberflächlicher Schnitt aus einem früheren Schlagabtausch ihren Unterarm brennen ließ und der Geruch von verbranntem Fleisch sich mit der Nachtluft vermischte.
Aber selbst das wissend grinste sie, während ihr Blut vom Kinn tropfte und sie sich mit dem Handrücken den Mund abwischte.
„Knapp, aber nicht knapp genug, Hornis.“
Mar’Garets blutrote Augen blitzten durch ihren Visier, als sie die Zähne zusammenbiss, ihren Griff um den Speer festigte und frustriert mit dem Schwanz auf den Boden schlug.
„Du ziehst das länger hin als erwartet. Dreh dich um und stirb endlich!“
In dem Moment, als die letzte Silbe ihre Lippen verließ, verschwand sie.
Anyas Instinkte schrien.
Rechts –!
Sie drehte sich gerade noch rechtzeitig, um zu sehen, wie der Speer bereits auf ihre Rippen zuschoss, wobei der Luftstoß wie eine Peitsche auf ihre Haut schlug.
Sie drehte ihren Oberkörper mitten in der Ausweichbewegung und spannte ihre Muskeln an, um dem tödlichen Schlag knapp auszuweichen.
Die Speerspitze schnitt durch den Stoff ihrer Jacke, und sie spürte das leichte Kribbeln von kaltem Stahl auf ihrer Haut, wie der Kuss einer Henkerklinge.
Doch noch während sie auswich, war Mar’Garet schon wieder in Bewegung.
Ein brutaler Tritt traf Anya im Bauch – ein Schlag, als würde sie von einer Abrissbirne getroffen.
Ein widerlicher Knirsch ertönte, als Anyas Körper nach hinten geschleudert wurde und ihr die Luft aus den Lungen gedrückt wurde. Der Moment der Schwerelosigkeit vor dem Aufprall reichte gerade aus, um den Geschmack von Blut auf ihrer Zunge wahrzunehmen – kupferig und dick, als hätte sie auf einer Münze gekaut.
BOOM!
Ihr Körper krachte durch die Vorderwand eines Gebäudes, Ziegelsteine und Glas explodierten nach außen und staubte die Luft. Die Trümmer verschoben sich, als sie sich herausstemmte, ihre Knöchel kratzten an scharfkantigem Beton und hinterließen tiefe, brennende Schnitte.
Scheiße, sie ist stark.
Mar’Garet ging durch den Rauch, ihren Speer leicht an die Schulter gelehnt, während die Straßenlaternen ein höllisches Licht auf die blutroten Gravuren ihrer Rüstung warfen.
Anya hatte gerade noch Zeit, sich wegzurollen, bevor der Speer wie eine Guillotine herabfiel und den Bürgersteig spaltete, auf dem sie gerade noch gestanden hatte.
Die folgenden Schockwellen schleuderten Autos durch die Luft, Glas zersplitterte in alle Richtungen.
Anya stürzte sich auf sie.
In dem Moment, als ihr Fuß den Boden berührte, bildete sich unter ihr ein Krater, und Teile der Straße wurden weggerissen, als sie die Lücke in einem Augenblick schloss. Ihre Faust verschwamm, die schiere Wucht ihres Schlags teilte den Rauch, als sie auf Mar’Garets Schädel zuschoss.
Aber – sie verfehlte ihr Ziel.
Mar’Garet lehnte sich zurück, der Schlag zischte haarbreit an ihrer Wange vorbei.
Allein der Luftdruck von Anyas Schlag reichte aus, um das lange silberne Haar der Drachengenerälin heftig hinter ihr wehen zu lassen, und ein schwacher statischer Strom kribbelte auf ihrer Haut.
Dann, bevor Anya reagieren konnte …
Mar’Garet drehte ihren Griff, und der Schaft der Waffe schlug mit vernichtender Kraft gegen Anyas Bauch.
Eine Schockwelle riss durch die Luft und schleuderte Anya mehrere Meter zurück, wobei der Boden unter ihren Stiefeln auseinanderbrach, während sie um ihr Gleichgewicht kämpfte.
Endlich kam sie zum Stehen – nur um Mar’Garet wieder vor sich zu sehen.
Ein weiterer Hieb.
Anya duckte sich – gerade noch rechtzeitig.
Der Speer streifte ihre Schulter und hinterließ eine tiefe, brennende Wunde. Der Geruch ihres verbrannten Fleisches stieg ihr in die Nase, ihre Nerven schrien vor Schmerz.
Aber sie hatte keine Zeit, den Schmerz zu registrieren.
Mar’Garet schlug sofort zu und rammte ihr Knie in Anyas Brust.
Anya würgte, als die Wucht sie vom Boden hob, ein brutaler Schmerz durchzuckte ihre Rippen und ihre Sicht verschwamm für einen Moment.
Dann – war sie in der Luft.
Die Welt drehte sich, Himmel und Erde wirbelten wild durcheinander, als sie durch einen verlassenen Lastwagen krachte, Metall kreischte und sich um sie herum verbog.
Ein paar Sekunden lang war es still, bis auf das Knistern der brennenden Trümmer.
Dann – Bewegung.
Die verbogenen Überreste des Lastwagens bewegten sich und ächzten, als Anya sich herausdrückte.
Anya rappelte sich auf und spuckte Blut auf den Asphalt.
Ihr Körper schmerzte, ihre Muskeln brannten von den wiederholten Schlägen – aber das Feuer in ihren Augen war noch da.
Sie rollte mit den Schultern, das Nachbeben von Mar’Garets brutalen Schlägen hallte noch in ihren Knochen nach.
Dann grinste sie.
„Okay. Den habe ich gespürt.“ Sie wischte sich das Blut vom Kinn, ihre Finger kribbelten von der restlichen Adrenalin. „Das muss ich dir lassen. Du schlägst härter zu als die meisten anderen.“
Mar’Garets Gesichtsausdruck war unlesbar, ihr Griff um den Speer wurde fester.
Anya atmete tief aus und schüttelte die verbleibende Steifheit aus ihren Gliedern. Die Luft schmeckte nach Rauch und Staub, aber darunter spürte sie, wie ihr Blut vor Aufregung kochte.
„Gut.“
Dann stürmte sie los.
…
…
Äußere Ringe – Sektor I
Es war Nacht.
Victor und Cilia setzten ihre Patrouille zusammen mit den Mitgliedern von Alisters Team fort.
Blitz kaute auf einem Stück Kaugummi, das Knallen einer Blase hallte in der stillen Straße wider. „Tja, dieser Ort ist deprimierend“, murmelte sie und trat eine herumliegende Dose die Straße hinunter.
Die Straßen waren leer, gesäumt von dunklen Fenstern und zerfallenden Gebäuden, die seit Wochen kein Leben mehr gesehen hatten.
Müll lag auf den Gehwegen und wurde von einer schwachen Brise verweht, die die unheimliche Stille kaum störte. Die Straßenlaternen flackerten schwach und warfen einen fahlen gelben Schein auf den rissigen Asphalt.
Es war kein Lachen zu hören, keine entfernten Stimmen – nur Stille, dicht und erdrückend, die von allen Seiten auf sie drückte.
Der Ort war nicht nur verlassen. Er wirkte vergessen.
Axel ging neben ihr her, die Hände tief in den Taschen vergraben. „Ja, es werden immer weniger Leute. Wo zum Teufel sind alle? Das fühlt sich an wie eine Geisterstadt.“
Beatrice seufzte. „Das gefällt mir nicht … dieser Ort macht mir Angst“, murmelte sie mit leiser Stimme, die kaum über ein Flüstern hinausging. Die Abwesenheit von Menschen, die beunruhigende Stille – all das machte sie nervös.
Vor ihnen unterhielt sich Victor mit einem gebeugten alten Mann und versuchte, Informationen über den Rückgang der Einwohnerzahl in dieser Gegend zu bekommen. Cilia stand ein Stück entfernt und drehte gelangweilt ein Wurfmesser zwischen den Fingern.
„Das geht also schon seit Wochen so?“, fragte Victor mit ernster Stimme.