Seitdem waren ein paar Tage vergangen…
In der Weite eines wolkigen Raums, wo sich die endlose Leere scheinbar bis in alle Ewigkeit erstreckte, öffnete Alister die Augen.
Seine Sicht war verschwommen, und er blinzelte mehrmals, um sich an das schwache Licht um ihn herum zu gewöhnen.
Als seine Sinne langsam klarer wurden, sah er eine Gestalt vor sich stehen … eine Frau. Ihr langes silbernes Haar fiel ihr über den Rücken und schimmerte trotz der trüben, wolkigen Umgebung leicht.
Sie hielt zwei Säuglinge in ihren Armen, einen davon Alister, den anderen eine Babyversion seiner Schwester Miyu. Beide Babys weinten laut, und ihre Schreie erfüllten die Stille.
„Wo bin ich … Weine ich?“, fragte sich Alister.
Er wusste bereits, dass es sich um eine Erinnerung handelte, da er seinen Körper nicht bewegen konnte und seine Handlungen nicht seinem Willen folgten.
Vor allem das laute Weinen.
Aber etwas an der Frau war seltsam. Je länger Alister sie ansah, desto beunruhigender wurde der Anblick.
Ihr Gesicht war von schwarzen Rissen durchzogen, ihre Gesichtszüge waren fast zu verschwommen, um sie zu erkennen, als ob seine Baby-Augen nicht alle Details wahrnehmen konnten.
Doch eines war ihm klar: Ihr silbernes Haar leuchtete hell, und aus ihren Augen strahlte ein strahlend gelbes Licht.
Trotz der Wärme des Leuchtens wirkte es irgendwie fern und unerreichbar.
Außerdem bemerkte er zwei riesige weiße Drachenflügel, die sich anmutig hinter ihr entfalteten. Kleine, zarte weiße Schuppen um ihren Hals fingen das sanfte Leuchten ihrer Aura ein, wenn sie sich bewegte.
Sie betrat etwas, das wie eine Höhle aussah … einen dunklen, hohlen Raum … und legte beide Säuglinge vorsichtig in eine kleine Ecke.
„Es tut mir leid, meine Lieblinge“, flüsterte sie mit trauriger Stimme. „Aber Mama muss jetzt gehen.“
Alister konnte die Schwere ihrer Worte spüren, auch wenn er sie nicht ganz verstehen konnte.
„Das … Das ist meine Mutter?“, dachte Alister.
„Sie ist es wirklich … Sie sieht genauso aus wie auf dem Foto.“
„Und außerdem … Da ist noch etwas.“
Alisters Blick fiel auf das Erbstück des Overlords, das als Halskette um ihren Hals hing, aber daneben …
Er bemerkte eine seltsame schwarze, rissige Markierung in Form eines Schädels an ihrem Hals.
Sie war stark und pulsierte dunkel.
Er sah, wie Miyu weiter laut weinte, ihre winzigen Hände verzweifelt nach der Frau ausstreckte und sich an ihren Finger klammerte, als würde sie sie anflehen, nicht zu gehen.
Der Blick der Frau wurde weicher. „Miyu, mein Schatz, Mama tut es leid. Weine nicht. Es ist nicht deine Schuld“, flüsterte sie mit beruhigender Stimme, die jedoch von einer Trauer erfüllt war, die Alister bis ins Mark erschütterte. „Aber wenn Mama bleibt, bist du in Gefahr.“
Alisters Blick heftete sich auf sie, als sie einen Finger hob. Er leuchtete gelb, und als er Miyus kleine Stirn berührte, verstummte das Weinen des Babys. Im Nu fiel Miyu in einen friedlichen Schlaf, ihr kleiner Körper ruhte in der Ecke der Höhle.
„Na, na“, flüsterte die Frau und beugte sich über ihre Kinder. Dann sah sie Alister an, ihr Lächeln war zärtlich und doch melancholisch.
„Da ist mein starker Krieger“, sagte sie mit liebevoller Stimme. „Du hast doch keine Angst, oder?“
Alisters kleine Hände streckten sich nach ihr, seine Babyfinger versuchten, ihre zu greifen.
Obwohl er nicht ganz verstand, wollte er instinktiv festhalten … sie nicht loslassen. Die Frau lachte leise, ihre Wärme erreichte ihn auf eine Weise, die er nicht erklären konnte.
„Scheint, als möchte mein kleiner Krieger eine Hand zum Halten“, sagte sie mit einem sanften Lachen. „Okay, weißt du was?“ Mit einer zärtlichen Bewegung nahm sie seine Hand von ihrer und legte sie in Miyus winzige Hand. „Du kannst die kleine Miyu halten“, sagte sie. „Sie könnte weinen, wenn niemand sie hält, okay?“
Alister spürte schon als Baby die Last der Verantwortung, das stille Versprechen, das mit der Rolle des großen Bruders einherging. Er weinte nicht, aber irgendwie verstand er die Worte der Frau … er musste sich um seine kleine Schwester kümmern.
Das Lächeln der Frau wurde sanfter und sie flüsterte ein letztes Mal: „Pass gut auf sie auf. Du bist der große Bruder, du darfst deine kleine Schwester nicht weinen lassen.“
Damit begann sie zu verblassen, ihre Gestalt wurde von Sekunde zu Sekunde ätherischer. „Mama geht jetzt, meine kleinen Schätze“, sagte sie, ihre Stimme kaum mehr als ein leises Echo. „Ich werde euch immer in meinem Herzen behalten.“
Als ihre Präsenz sich in den nebligen Raum auflöste, war das Letzte, was Alister sah, ihr gelber Schein, ein schwaches Licht in der endlosen Dunkelheit.
Die Höhle wurde wieder still, und alles, was übrig blieb, war das leise, rhythmische Atmen der beiden Babys.
Die Verbindung zwischen ihnen, das Band, das in diesem Moment geknüpft wurde, blieb ungebrochen.
Als Alister sie so sah, musste er langsam weinen, und Tränen traten in seine kleinen Kinderaugen.
Aus irgendeinem Grund war er sich sicher, was er als Baby in diesem Moment gedacht und gefühlt hatte, und ehrlich gesagt dachte und fühlte er jetzt genauso.
„Mutter … Bitte … Geh nicht.“
…
„Weißt du, Weinen sieht nicht gerade cool aus bei einem erwachsenen Mann, den alle als Drachenlord feiern, Bruder.“
Alisters Augen flogen plötzlich auf, und für einen kurzen Moment fühlte er sich desorientiert.
Die Höhle, die Frau und die seltsame, eindringliche Erinnerung an seine Kindheit verschwanden so schnell, wie sie gekommen waren.
Er befand sich nicht mehr an diesem seltsamen Ort. Stattdessen lag er in seinem Bett in seinem Zimmer, genauer gesagt in seiner Unterkunft.
Er spürte ein unangenehmes Gefühl in seiner Brust, ein ungewohntes Gefühl. Instinktiv fuhr er sich mit der Hand über das Gesicht und rieb sich die Augen, als wollte er aus einem bösen Traum erwachen.
Aber irgendetwas stimmte nicht. Seine Gedanken kreisten immer noch um den seltsamen Moment mit der Frau und seinem kindlichen Ich. Er blinzelte schnell, um den Nebel in seinem Kopf zu vertreiben.
Alisters Blick schoss zur Tür, und ihm stockte der Atem.
Dort stand niemand anderes als Miyu, seine Schwester, die lässig mit verschränkten Armen an der Tür lehnte. Sie trug ein schwarzes bauchfreies Top und Jeansshorts und hatte ein verschmitztes Lächeln auf den Lippen.
Dann zeigte sie auf ihn und sagte: „Heute ist doch mein erster Trainingstag mit dir und deinem Team, solltest du nicht früh aufstehen? Du musst mir doch ein Vorbild sein!“
„Großer Bruder?“