Madison und Alice bewegten sich schnell durch den dichten Wald, wo das Sonnenlicht durch das dichte Blätterdach gefiltert wurde. Die Luft war schwer vom Geruch feuchter Erde und Vegetation. Madison hatte Alice über alles informiert – die Vision, Bellas Gewissheit und die bevorstehende Mission. Alice, die normalerweise scharfzüngig und skeptisch war, ging schweigend neben ihr her und verarbeitete die Informationen.
Sie gingen schnell, aber bedächtig, um sich nicht zu verausgaben. Zweige knackten unter ihren Füßen, und Vögel flogen auf, als sie vorbeikamen. Madisons Gedanken kreisten um Nate – ob er wirklich noch am Leben war, wo er sein könnte und in welchem Zustand er sich befand.
Alice brach schließlich das Schweigen. „Weißt du“, sagte sie leise, ihre Stimme durchdrang die Geräusche des Waldes, „ich hätte nie gedacht, dass ich das noch einmal tun würde.
Mit dem Kopf voran in die Gefahr stürzen.“
Madison sah sie an. „Warum hast du dann zugestimmt, mitzukommen?“
Alice seufzte. „Weil wir es Nate schuldig sind, es herauszufinden, wenn auch nur die geringste Chance besteht, dass er noch lebt. Er hat zu viel für uns alle getan. Zu viel für mich.“
Madison nickte, sagte aber nichts. Sie gingen schweigend weiter, jeder in seine eigenen Gedanken versunken.
—
Zurück in der Höhle …
Bella schlug die Augen auf und stellte fest, dass sie auf einem provisorischen Bett im medizinischen Zentrum lag. Das schwache Leuchten der Insekten in ihren durchsichtigen Behältern erhellte den Raum. Ryder und Jack waren anwesend, ihre Gesichter angespannt.
Jack, der noch vor wenigen Augenblicken auf und ab gegangen war, kam schnell auf sie zu. „Bella, du bist wach. Geht es dir gut?“
Bella nickte schwach, ihre Stimme klang heiser. „Mir geht es gut. Ich bin nur… erschöpft.“
Jack und Ryder tauschten einen Blick aus, in dem sich Erleichterung widerspiegelte. Jack beugte sich näher zu ihr. „Was du vorhin gesagt hast… Wie sicher bist du dir?“
Trotz ihrer Erschöpfung wurde Bellas Blick scharf. Sie setzte sich leicht auf und zeigte Entschlossenheit. „Ich war mir noch nie in meinem Leben so sicher. Nate lebt.“
Ryder, der mit verschränkten Armen an der Wand gelehnt hatte, atmete tief aus und richtete sich auf. „Okay“, sagte er mit fester Stimme. „Jack, mach die Kämpfer bereit. Wir brechen in zehn Minuten auf.“
Seit seinem Gespräch mit Madison war er beunruhigt. Vielleicht war es an der Zeit, dass sie endlich anfingen, das Leben aller zu priorisieren und alle gleich zu behandeln.
Jack zögerte und sah zwischen Ryder und Bella hin und her. „Bist du dir sicher?“
Ryder antwortete nicht sofort. Stattdessen sah er Bella an. „Gibt es noch etwas, das wir wissen müssen, bevor wir gehen?“
Bellas Augen verdunkelten sich leicht, und sie griff nach Ryders Arm, als er sich abwenden wollte. „Ja“, sagte sie fest. „Da ist noch etwas.
Etwas darüber, wie sie ihn behandelt haben.“
Ryder erstarrte und presste die Kiefer aufeinander. „Was meinst du damit?“
Bella zögerte einen Moment, bevor sie mit zitternder Stimme sprach. „Es ist schlimmer, als du dir vorstellen kannst. Sie halten ihn nicht nur fest. Sie … brechen ihn.“
—
20 Tage zuvor…
Eine plötzliche Welle eiskalten Wassers schlug Nate ins Gesicht und zwang ihn, die Augen aufzuschlagen. Er hustete heftig und rang nach Luft, während der Kälteschock seinen ganzen Körper durchfuhr. Für einen Moment war seine Sicht verschwommen, aber als sie sich wieder klärte, sah er zwei Wächter vor sich stehen.
Einer von ihnen hielt einen Schlauch in der Hand, aus dem das eiskalte Wasser kam, das ihn jetzt bis auf die Haut durchnässte. Der andere hatte eine Hand mit Stacheldraht umwickelt, dessen Spitzen sich in seine ledrige Haut bohrten. Ihre Gesichtsausdrücke waren unlesbar, aber ihre hoch aufragenden Gestalten strahlten Bedrohung aus.
Nate sah an seinem Körper hinunter und bemerkte zum ersten Mal, dass seine Wunden vollständig verheilt waren. Der Schmerz war noch da, aber seine Haut wies keine Narben oder Verletzungen auf. Dieser Anblick erfüllte ihn eher mit Unbehagen als mit Erleichterung.
Der Wächter mit dem Schlauch spritzte Nate erneut Wasser ins Gesicht, sodass er nach Luft schnappen musste. Er drehte den Kopf zur Seite und hustete heftig, während Wasser seinen Mund und seine Nasenlöcher füllte.
Als das Wasser aufhörte, sackte Nate nach vorne und atmete schwer. Bevor er wieder zu Atem kommen konnte, hallte eine vertraute Stimme durch den Raum.
„Na, na, endlich bist du aufgewacht.“
Nate hob ruckartig den Kopf und das Blut gefror ihm in den Adern. Es war der Mann in der Robe – derjenige, der ihn fast umgebracht hätte. Das Gesicht des Mannes war ruhig, fast amüsiert, während Blitze um seine Finger tanzten.
Der Mann trat näher, seine Stimme triefte vor Spott. „Du bist zäher, als du aussiehst. Die meisten Menschen hätten das nicht überlebt. Aber du bist wohl nicht wie die meisten Menschen, oder?“
Nate starrte ihn an und weigerte sich zu antworten.
Der Mann hockte sich vor ihn hin und fixierte ihn mit seinen durchdringenden Augen. „Lass die Höflichkeiten. Ich weiß, dass du aus etwas kommst, das sich Flugzeug nennt, und ich weiß, dass dieses Flugzeug von einem Ort namens Erde kam. Also, hier ist der Deal: Du sagst mir, wo die Erde ist, und ich sorge dafür, dass du schnell und schmerzlos stirbst. Wenn du dich weigerst, dann …“
Die Lippen des Mannes verzogen sich zu einem grausamen Lächeln. „Sagen wir einfach, du wirst dir wünschen, du hättest kooperiert.“
Nates Stimme war heiser, aber seine Trotzhaltung war unerschütterlich. „Warum zum Teufel sollte ich dir das sagen, wenn ich sowieso sterbe?“
Das Lächeln des Mannes verschwand und machte einem kalten, berechnenden Ausdruck Platz. „Falsche Antwort.“
Ohne Vorwarnung rammte er seine blitzschlaggeschützte Hand in Nates Brust. Nates Körper krümmte sich, als ein qualvoller Schrei aus seiner Kehle riss. Seine Adern leuchteten wie geschmolzene Lava, der Strom floss durch ihn hindurch und setzte seine Nerven in Brand.
Der Schmerz war unerträglich. Nates Schreie hallten durch den Raum, rau und unerbittlich. Seine Sicht verschwamm, als Tränen über sein Gesicht liefen und sein Körper unkontrolliert zuckte.
Als der Mann endlich seine Hand zurückzog, brach Nate zusammen und fiel zu Boden, wo er nach Luft rang. Seine Haut war verkohlt, sein Körper mit Verbrennungen übersät und sein Gesicht zu einer Grimasse aus Entsetzen und Qual verzerrt.
Der Mann beugte sich über ihn, seine Stimme ruhig, aber voller Drohung. „Irgendwann wirst du es mir sagen“, sagte er fast im Plauderton. „Ich habe alle Zeit der Welt, dir die Konsequenzen deiner Sturheit klar zu machen.“
Nate versuchte, den Kopf zu heben, aber er hatte keine Kraft mehr. Er konnte den Mann nur noch schwach anstarren, seine Trotzigkeit flackerte wie eine sterbende Flamme.