Die Insel bebte unter ihren Füßen.
Als Alices Klinge auf die heranstürmenden Klauen des Govarks traf, explodierte eine blendende Energie, die das Land bis ins Mark erschütterte. In der Ferne knackten Bäume wie Zweige, und die Luft schien zu wellen, als die Wucht des Aufpralls Schockwellen durch die Atmosphäre schickte. Die Erde spaltete sich unter ihnen, Brocken aus Stein und gefrorener Erde flogen in den Himmel, nur um von dem wirbelnden Schneesturm verschlungen zu werden, der Alices Körper umgab.
Die beiden Kämpfer trennten sich so schnell, wie sie aufeinander geprallt waren, und wichen beide zurück, wo sie anmutig landeten, aber sichtlich angestrengt waren.
Alle Augen richteten sich zuerst auf den Govark. Ein kollektiver Aufschrei entrang sich den Zuschauern, als sie ihn sahen – direkt durch den Bauch der Bestie, knapp über ihrem Unterleib, war nun ein großes Loch zu sehen. Dampf stieg aus der Wunde auf, während Blut, dunkel und dick wie Teer, in Wellen herausfloss und das zerklüftete Schlachtfeld darunter befleckte.
Aber das war nicht das Schockierendste – es war die Tatsache, dass sich die Wunde bereits schloss, Muskelfasern sich wieder zusammenfügten und Knochen an ihren Platz zurücksprangen, als würde die Zeit selbst den Schaden rückgängig machen.
Dennoch war die Tatsache, dass Alice mit einem einzigen Schlag so viel erreicht hatte, etwas, das niemand ignorieren konnte.
„Sie hat ihm tatsächlich … wehgetan“, murmelte Ryder hinter der Linie, die Augen vor Unglauben weit aufgerissen.
Die anderen nickten zustimmend, aber während viele ihre Fäuste in Hoffnung ballten, verdunkelte sich Madisons Gesicht und ihr Magen verkrampfte sich.
„Nein …“, flüsterte sie und packte Bellas Arm. „Das ist nicht richtig.“
Bella drehte sich verwirrt zu ihr um. „Was? Ist es nicht das, worauf wir gewartet haben?“
Madisons Blick blieb auf Alice geheftet. „Schau sie dir an … Sie verliert sich selbst.“ Und tatsächlich, Alices Augen hatten sich verändert. Das sanfte, eisblaue Leuchten, das sie normalerweise auszeichnete, war nun durch etwas Dunkleres ersetzt worden – etwas Uraltes und Kaltes. Es war nicht mehr ganz Alice. Die Luft um sie herum fühlte sich bedrückend an, zu schwer für alle in ihrer Nähe.
Madison presste die Kiefer aufeinander. „Je mehr sie kämpft … desto mehr übernimmt das Ding in ihr die Kontrolle.“
Währenddessen hörte der Govark auf der anderen Seite des Feldes endlich auf, seine Wunde zu halten, und atmete schwer, aber gleichmäßig. Seine tierischen Augen verengten sich, als ihm klar wurde, dass es keine Option mehr war, sie direkt anzugreifen.
Ein leises Knurren drang aus seiner Kehle, als es seine Taktik änderte.
Ohne Vorwarnung begann der Govark, mit den Fäusten und Füßen in die Luft zu schlagen. Aber das waren keine zufälligen Schläge – jede Bewegung verzerrte den Raum um seine Gliedmaßen. Unsichtbare Schockwellen, fast wie Klingen aus komprimierter Luft, schlugen auf Alice ein, rissen mit alarmierender Geschwindigkeit durch das Schlachtfeld und zerschnitten Felsen und gefrorene Strukturen.
Alice zuckte nicht mit der Wimper. Stattdessen grinste sie – ein scharfes, beunruhigendes Grinsen. Ihre Stimme hallte wider, leise und doch unheimlich, wie ein Wind, der das Flüstern von Geistern mit sich trug. „Das musst du schon besser machen …“
Dann verschwand sie mit einem schnellen Sprung.
Einen Wimpernschlag später tauchte sie direkt vor dem Govark wieder auf, scheinbar aus dem Nichts materialisiert.
Ohne ihm Zeit zu geben, zu reagieren, rammte sie ihm ihre Faust – voller eisiger Kraft – in die Brust. Ein donnernder Knall ertönte, als sein Brustkorb sichtbar einbrach und die Knochen unter der Wucht ihres Schlags zerbrachen. Der massive Körper des Govarks wurde vom Boden hochgehoben und nach hinten geschleudert, wo er wie eine Stoffpuppe durch die Luft wirbelte.
Es krachte mehrere Meter weit, grub einen tiefen Graben in den eisigen Boden und schlug dann gegen einen Felsbrocken, den es komplett zerschmetterte.
Für ein paar Herzschläge herrschte Stille auf dem Schlachtfeld.
Dann bewegte sich die Bestie.
Der Govark drückte sich langsam vom Boden hoch und hielt sich mit einer Klauenhand an der Brust fest. Aber statt vor Schmerz zusammenzuzucken oder zu knurren, stieß er ein verdrehtes, kehliges Geräusch aus.
Ein Lachen. Ein monströses, beunruhigendes Lachen, das gleichzeitig menschlich und tierisch klang.
Dann sprach es mit einer rauen, heiseren Stimme, die über die ganze Insel hallte, Worte, die niemand erwartet hatte.
„Das … ist schon besser.“
Die Bestie grinste und fletschte ihre gezackten Reißzähne. Ohne zu zögern hob sie ihre massive Hand zum Himmel.
Sofort reagierte der Himmel.
Der Himmel verdunkelte sich, als hätte jemand die Sonne verschluckt. Dicke, brodelnde grüne Wolken wirbelten über ihnen, breiteten sich schnell über die Insel aus und tauchten alles in einen unnatürlichen grünen Farbton. Es war, als hätte jemand die Welt in Gift getaucht.
Madison und Bella rückten instinktiv näher zusammen und schauten nervös in den unheimlichen Himmel.
„Was … zum Teufel ist das?“, murmelte Bella und versuchte, ihren Atem zu beruhigen, während die grünen Wolken immer dichter wurden.
„Ich weiß es nicht“, antwortete Madison mit leiser Stimme, ihre Augen voller Unruhe. „Aber das … das ist nicht normal.“
Das Licht wurde zu einem kränklichen Grün und hüllte die Insel in eine schwere Dunkelheit. Sogar der Schnee, der von oben fiel, sah verdorben aus und nahm die Farbe des Sturms über ihnen an.
Die Temperatur sank noch weiter, aber diesmal war es nicht Alices Eis – es war die Aura des Govark selbst, etwas Unheimliches und Urtümliches.
Alice schwebte in der Luft, unbeeindruckt von der zunehmenden Dunkelheit, obwohl die flackernden Schatten, die über ihre Rüstung fielen, sie noch weniger menschlich erscheinen ließen. Sie neigte leicht den Kopf, als würde sie die Verwandlung analysieren.
Dann begann sich der Körper des Govark zu verändern.
Seine leuchtend grünen Adern traten hervor und pulsierten unter seiner Haut. Die Muskeln der Kreatur schwollen an und wurden mit jeder Sekunde dichter und größer. Innerhalb weniger Augenblicke wuchs seine imposante Gestalt über seine ursprüngliche Größe hinaus, sodass alle auf dem Boden ihren Hals recken mussten, um seinen Kopf zu sehen. Seine Klauen wurden schärfer, seine Schwänze verlängerten sich und verdickten sich zu monströsen Peitschen. Seine leuchtenden Augen waren jetzt glühende Kugeln aus smaragdgrünem Feuer.
Die Bestie hatte eine neue Stufe der Macht erreicht.
Der Boden unter ihr barst und schmolz leicht unter ihrem Gewicht, als die Bestie ein weiteres kehliges Brüllen ausstieß, das die Wolken über ihnen erschütterte.
Madisons Hände zitterten. „So etwas haben wir noch nie gesehen …“
Alice kniff die Augen zusammen, als der riesige Govark mit erschreckender Geschwindigkeit auf sie zustürmte und jeder seiner schweren Schritte den ohnehin schon instabilen Boden unter ihnen erschütterte.
Ein selbstgefälliges Grinsen huschte über ihr Gesicht, obwohl der Sturm über ihnen tobte.
„Du hast einen Fehler gemacht“, flüsterte Alice mit funkelnden Augen. „Je größer du wirst, desto leichter kann man dich treffen.“
Ohne eine Sekunde zu verschwenden, verschwamm ihre Gestalt und verschwand, während eine scharfe Böe eisigen Wind hinter ihr zurückblieb.
Blitzschnell tauchte sie direkt vor dem riesigen Biest wieder auf. Seine monströsen, leuchtenden Augen registrierten ihre Anwesenheit kaum, bevor sie ihren Körper drehte und einen kraftvollen Tritt direkt auf seine Brust abgab. Der Aufprall war schnell und präzise – doch gerade als ihre Ferse sein Herz treffen wollte, bildete sich plötzlich eine durchsichtige grüne Barriere um den massigen Körper des Govark.
In dem Moment, als ihr Bein auf den Schild traf, prallte die Energie heftig zurück.
Eine Schockwelle breitete sich aus und schleuderte Alice nach hinten, ihr Körper taumelte durch die Luft, bevor sie auf den Boden aufschlug und durch Schnee und zerbrochene Steine rutschte. Sie zuckte zusammen, als sie eine Mundvoll Blut hustete, das den Schnee unter ihr rot färbte.
Für einen Moment war alles still.
Doch Alice stand langsam wieder auf und wischte sich mit dem Handrücken den Mund ab. Ihr Gesicht verzog sich zu einem kalten Blick. Hinter ihr bewegte sich die Luft und heulte auf, als aus dem Nichts ein tobender Eissturm aufkam, der heftig wirbelte und Schnee und gefrorene Luft um sie herum peitschte wie ein Schneesturm aus der Tiefe.
Mit einem kräftigen Stoß hob der Sturm sie in die Luft und trug sie wie eine Rakete vorwärts.
Der Govark hob seine Klauenhand, um sie abzufangen, aber es war zu spät.
Als Alice vorwärts stürmte, streckte sie ihre Handfläche aus und befahl dem Eissturm, ihr zu folgen. Er reagierte heftig und krachte zusammen mit ihrem Angriff nach vorne. Der Schneesturm verwandelte sich in hoch aufragende Wellen aus Eis und Frost, die mit unerbittlicher Kraft gegen den Schild des Govarks prallten.
Die grüne Barriere erschien erneut um die Bestie, aber diesmal ächzte sie unter dem überwältigenden Druck.
Risse bildeten sich auf der Oberfläche des Schildes, als Alice vorwärts drängte, ihre Hand leuchtete heller und ihr Atem bildete eisigen Dampf. Der Boden bebte, als die gefrorene Welle an Intensität zunahm und der heulende Sturm wie eine Bestie brüllte.
Dann zerbrach die Barriere.
Mit einem lauten Knall barst der Schild des Govark auseinander, und grüne Energiefetzen flogen in den Sturm, während das Biest kurzzeitig ungeschützt war.
Der Eissturm, nun von seiner Fessel befreit, schoss in einer letzten vernichtenden Welle vorwärts.
Im Zentrum, versteckt vor den Blicken, erschuf Alice mit ihrer Willenskraft eine riesige Masse aus gefrorener Erde und Gletschereis – so groß wie ein ganzer Berg.
Der Govark hatte kaum Zeit, die Bedrohung zu registrieren, bevor der kolossale Hügel gegen seine Brust krachte und seinen massigen Körper vom Boden hob.
Die Bestie wurde nach hinten geschleudert, flog fast hundert Meter durch die Luft und schlug dann wie ein Meteor auf dem Schlachtfeld auf. Der Boden spaltete sich bei der Kollision und hinterließ eine Spur der Verwüstung. Eis und Trümmer schossen in die Luft und hüllten die Szene in weißen Nebel und Schutt.
Für einen Herzschlag lang war es still auf dem Schlachtfeld.
Dann regte sich der Govark.
Mit einem kehligen Knurren rappelte er sich langsam auf, Blut floss aus zahlreichen tiefen Wunden, die sich in sein Fleisch gegraben hatten. Seine Arme, Beine und sein Oberkörper waren von Schnittwunden übersät, die das Monster mit dunklen, blutroten Streifen überzogen. Seine Brust hob und senkte sich, jeder Atemzug klang eher wie ein Knurren als wie ein menschlicher Laut.
Aber er war nicht besiegt.
Es war wütend.
Die riesige Hand des Govark schoss in den Himmel, die Finger gespreizt, während es in den Himmel brüllte. Die grünen Wolken über ihm reagierten sofort und wirbelten schneller, als wären sie lebendig. Im nächsten Augenblick verdichtete sich der gesamte Sturm und zog sich zu einer riesigen Kugel aus dunkelgrüner Energie zusammen.
Bellas Augen weiteten sich, als sie Madison am Ärmel packte. „Maddy … was ist das?“
Madisons Herz pochte. „Etwas Schlimmes.“
Mit einem ohrenbetäubenden Krachen entlud der verdichtete Sturm seine Wut.
Ein Strahl aus verdichtetem grünem Blitz, dick wie ein Turm, schoss wie das Urteil der Götter vom Himmel und zielte direkt auf Alice. Rein instinktiv hob Alice beide Arme, während Dutzende von Eisbarrieren vor ihr einrasteten. Sie überlagerten sich zu dicken Wänden aus Frost und stahlhartem Eis, zerbrachen jedoch augenblicklich, als der grüne Strahl sie wie Papier zerfetzte.
Die Energie traf sie mit voller Wucht.
Die Explosion war gewaltig und zerstörte die Umgebung. Die Erde wurde unter der Wucht der Welle aufgerissen und bildete eine tiefe, kreisförmige Grube. Als sich der Staub endlich legte, herrschte nur noch Stille.
Alice lag in der Grube und starrte benommen in den grünen Himmel über ihr. Ihr Körper fühlte sich schwer an, ihre Rüstung war zerbrochen und zersplittert. Ihr Atem wurde langsamer, als eine Welle der Erschöpfung über sie hinwegrollte.
Sie versuchte, den Kopf zu heben, schaffte es aber nicht. Ihr schwirrte alles im Kopf. Ich … hätte nicht gedacht, dass es so stark sein würde …
Zum ersten Mal seit sie ihre Kräfte entfesselt hatte, fühlte sie sich machtlos.
Dann, als die Schatten über ihren ramponierten Körper länger wurden, fiel Alices halb geöffneter Blick auf den Govark. Er ragte hoch über dem Krater empor, sein kolossaler Körper schien wie ein Berg.
Seine Lippen verzogen sich zu einem verzerrten Grinsen, als er in die Luft sprang.
Alice‘ Augen weiteten sich vor Entsetzen.
Die Bestie kam direkt auf sie zu – schnell.
Ihre Sicht begann zu verschwimmen, und im letzten Moment, bevor die Dunkelheit sie verschluckte, sah sie nur noch eines: den massigen Körper des Govark, der sich wie eine Henkerbeil auf sie herabsenkte.