Stellas Angriff war der Startschuss.
Mit einem entschlossenen Schrei sprintete sie auf die Golems zu, die die Verteidigungslinie durchbrochen hatten. Hinter ihr hob Sylphie ihren Stab und beschwor eine Barriere aus magischem Wind, um die Gruppe zu schützen, während Irelia mit gezückter Klinge neben Stella vorrückte und Amelia mit präzisen Zaubersprüchen Deckung gab.
Die Luft um sie herum verdichtete sich mit reinem Mana. Magische Flammen flackerten als Reaktion auf die rohe Kraft, die durch den blanken Überlebensinstinkt geweckt worden war.
An der Front entfesselte Kael seine Macht.
Die Aura, die ihn umgab, pulsierte mit einer unsichtbaren, fast erstickenden Kraft. Sein Körper fühlte sich leichter und stabiler an, als ob jede Zelle im Einklang mit einer verborgenen Energie stand, die in ihm pulsierte.
An seiner Seite lieferte Erika sich einen heftigen Schlagabtausch mit den Golems, aber ihr Blick war nun auf Kael geheftet – eine Mischung aus Ungläubigkeit und soldatischer Konzentration lag in ihren Augen.
Kael stürmte auf drei Golems gleichzeitig zu. Sie versuchten, ihn mit gleichzeitigen Schlägen zu zerquetschen, aber er drehte seinen Körper und entfesselte mit einer plötzlichen explosiven Bewegung eine Schockwelle mit seiner geballten Faust – eine instinktive Technik, die noch keinen Namen hatte, aber absurd zerstörerisch war.
KNACK – BUMM!
Die drei Golems wurden gegen die Wände geschleudert und zerbrachen in Stücke.
„Was zum Teufel bist du …?“, murmelte Erika, ohne den Blick von der Zerstörung abzuwenden.
Kael antwortete nicht. Er rollte nur seinen Nacken und atmete aus, wobei er die entlang seiner Wirbelsäule angesammelte Mana in seine Arme und Hände strömen ließ. Die bläulichen Energieadern, die zuvor noch zaghaft geflackert hatten, brannten nun unter seiner Haut.
„Mehr“, sagte er kalt.
Und die Golems folgten seinem Ruf.
Währenddessen, in der Unterstützungsgruppe …
Stella rutschte unter das Bein eines Golems und rammte ihr verzaubertes Schwert in dessen Gelenk, wodurch sie ihn für einen Moment bewegungsunfähig machte. Irelia nutzte die Gelegenheit – mit einem schnellen Sprung zerschnitt sie den Golem von oben bis unten und zielte dabei auf seinen Kern.
KLANG! KNACK!
Der Kern leuchtete hell auf, bevor er in Stücke zerbrach.
Sylphie, die ihre Zaubersprüche mit fließender Präzision sang, beschwor konzentrierte Windspeere, die die Gelenke der Golems durchbohrten und sie so zu leichteren Zielen für ihre Verbündeten machten. Amelia hingegen war pure Präzision – sie stach mit leichten Speeren auf die freiliegenden Kerne ein und schaltete einen Feind nach dem anderen aus, ohne jemals ihre Position zu verändern.
„Es funktioniert!“, rief Stella, während sie einem Angriff auswich und einem Feind das Handgelenk durchschlug.
„Wir sind synchron“, kommentierte Amelia mit einem kleinen Lächeln. „Nicht schlecht für ein improvisiertes Team.“
Doch der Sieg war nur von kurzer Dauer.
Aus dem Tunnel hallte ein neues Brüllen – tiefer, dichter. Ein Geräusch, das an der Seele kratzte.
Alle erstarrten für einen Moment.
Kael spürte die Veränderung in der magischen Spannung und wandte seinen Blick zum hinteren Teil des Verlieses.
„Was ist das …?“ Aus der Horde der Golems tauchte eine viel größere Kreatur auf. Sie war dreimal so groß wie ein normaler Golem und ihr Körper war mit obsidianschwarzen Platten bedeckt. In ihrer Brust drehten sich drei Manakerne synchron – und auf ihrer Stirn leuchtete eine flammend rote Rune.
Erika machte einen halben Schritt zurück. „Ein Wächtergolem. Der sollte nicht hier sein. Dieser hier ist Rang B.“
Kael ballte die Fäuste. Die Energie um ihn herum vibrierte wie kaum zu bändigender Donner. „Perfekt … genau das, was ich gebraucht habe …“, murmelte er.
Der Wächtergolem stieß ein magisches Brüllen aus, und allein seine Anwesenheit brachte den Tunnel ins Wanken. Teile der Decke begannen herunterzufallen. Im Hintergrund schrien die Schüler. Erika bellte Befehle, um eine neue Verteidigungslinie zu bilden.
„KAEL! MACH KEINE DUMMHEITEN!“ Aber er war bereits in einem Blitz verschwunden.
Der Aufprall traf wie ein Sturm.
Kael prallte gegen den Wächtergolem und landete einen direkten Schlag auf dessen Brust.
BOOM!!!
Der Lärm war ohrenbetäubend. Die Tunnelwände bebten und der Boden barst unter der Wucht des Schlags. Der Wächter taumelte, fiel aber nicht – seine Struktur war fortschrittlicher, dichter. Seine Augen leuchteten auf und er konterte mit einer Reihe von Schlägen, die wie Kriegshämmer auf Stahl klangen.
Kael blockte einen, wich einem anderen aus und ließ den dritten Schlag auf seine Schulter treffen. Der Aufprall schleuderte ihn nach hinten und er krachte gegen eine Wand.
Staub und Trümmer stiegen in die Luft.
Stella schrie: „KAEL!“
Aber noch bevor sich der Rauch verzog, war er schon wieder auf den Beinen. Seine Schulter blutete, aber seine Augen brannten vor etwas, das stärker war als Schmerz.
„Verdammt …“, murmelte er.
Der Staub hatte sich noch nicht gelegt, als erneut metallische Schritte durch die Tunnel hallten – nicht einer, nicht zwei, sondern Dutzende.
Erika wirbelte herum, die Augen weit aufgerissen, und spürte die Annäherung der Wesen wie eine unsichtbare Lawine aus verdorbenem Mana.
„Das … kann nicht wahr sein …“
Weitere Golems tauchten aus den Schatten auf. Sie waren nicht wie die vorherigen: Ihre Rüstung war dicker, ihre Gelenke verstärkt, und die Kerne in ihren Brustkörben pulsierten violett statt blau. Hinter ihnen ragten drei größere Gestalten hervor, jede mit einer anderen Art von runengescheiderter Waffe – Keulen, Breitschwerter, verzauberte Speere –, aber es war die letzte, die wahre Angst auslöste:
Ein Großer Wächter.
Massiv. Vier Meter groß. Seine Brust war offen und enthüllte eine Spirale aus Manakernen, die sich um einen schwarzen Kristall drehten, der Mana aus der Umgebung wie ein schwarzes Loch absorbierte. Um seinen Körper herum brannten Runen wie glühende Kohle, und wo immer er auftrat, bröckelte der Boden und wurde aller magischen Energie beraubt.
Die Luft wurde dick. Schwer.
Von hinten schrie Amelia: „Wir verlieren Mana! Es saugt alles auf!“
Sylphie sank mit einem gedämpften Keuchen auf die Knie, ihr Stab zitterte in ihrer Hand. „Ich kann die Barriere nicht aufrechterhalten …!“
Irelia spürte, wie ihre Klinge ihren Glanz verlor, als würde der Stahl selbst ausgehöhlt. „Mein Zauber … er schwindet!“
Auf dem Schlachtfeld trat Erika einen Schritt zurück und starrte die Kreatur an. Der Große Wächter hob den Arm und zeigte direkt auf sie.
Kael, der bereits wieder in Position war, spuckte Blut. Seine Schultern pochten und sein Körper schrie nach Ruhe. Aber er erkannte die Absicht, noch bevor der Angriff ausgeführt wurde.
„ERIKA!!!“
Ein violetter Blitz explodierte aus dem Kristall des Wächters.
Erika versuchte, ihr Schwert zu heben, aber sie war zu langsam – erschöpft, ausgelaugt, verwundbar.
Und dann stürzte sich Kael nach vorne.
Er dachte nicht nach. Er zögerte nicht.
Mit einem ungeschickten Sprung überquerte er das Schlachtfeld und warf sich vor den Balken.
Der Aufprall traf ihn mit voller Wucht in der Brust.
CRAACK!
Das Geräusch brechender Knochen hallte wie zerbrechendes Glas wider. Kael wurde nach hinten geschleudert, sein Körper prallte gegen eine der Steinsäulen und bohrte sich mit brutaler Wucht darin fest. Die Struktur barst und Staub stieg in die Luft.
„KAAEEL!!“
Erika rannte auf ihn zu, aber weitere Golems fielen wie lebende Hämmer von der Decke herab. Ein Wächtergolem landete hinter ihr, hob seine Runenklinge und zielte direkt auf ihren Schädel.
Sie versuchte zu reagieren, aber alles war langsam – schwer, gedämpft, als würde sie sich durch Wasser bewegen.
Kael hustete Blut.
Sein Körper zitterte, der Schmerz war brennend. Er spürte, wie sich seine Brust zusammenzog, sein linker Arm schlaff war und seine rechte Schulter ausgerenkt war. Und dennoch versuchte er, sich zu erheben.
Nicht für sich selbst.
Für sie.
Zwei weitere Wächtergolems gesellten sich zu dem ersten und umzingelten Erika. Sie hoben ihre Waffen gleichzeitig.
Kael knurrte, und die letzten Spuren von Mana in seinem Körper folgten seinem Ruf – ein Funke in der Dunkelheit.
„Nur über meine Leiche!“
Er stürzte sich erneut auf sie.
Seine Muskeln rissen. Der Schmerz war unbeschreiblich. Aber er überwand die Distanz zwischen ihnen mit einem letzten Schub Mana – purer Instinkt, pure Wut.
Mit einer verzweifelten Drehung packte er den Arm eines der Wächter und riss ihn weg, sodass das Schwert Erika nur um wenige Zentimeter verfehlte. Einer der anderen Golems rammte ihm daraufhin seine Waffe in den Rücken. Das Geräusch, das darauf folgte, war erschütternd.
Erika schrie, aber Kael fiel nicht.
Er sank auf die Knie.
Blut tropfte aus seinem Mund, und seine verschwommenen Augen kämpften darum, scharf zu bleiben. Das Mana in seinem Körper war fast aufgebraucht. Und ohne Mana … gab es keine Verteidigung, keine Regeneration, keinen Schild.
Zum ersten Mal zögerte Erika.
„Kael … du hättest das nicht tun sollen …“
„Wenn du … fällst … wer soll dann diese Idioten am Leben halten?“, murmelte er mit einem halben Lächeln und spuckte Blut.
„Geh … such sie … beschütze Sylphie …“
Doch schon kam der nächste Schlag.
Diesmal hob der Große Wächter seinen massigen Arm und entfesselte eine Schockwelle, die Erika mit einem widerlichen Knacken gegen die Wand schleuderte. Sie brach zusammen und verlor das Bewusstsein.
Kael hatte kaum Zeit zu reagieren. Zwei Wächtergolems packten ihn an den Armen und hoben ihn vom Boden hoch. Der Große Wächter näherte sich, die Rune auf seinem Kopf brannte wie eine Miniatursonne.
Ein Brüllen hallte von der Kreatur wider, dann rammte sie Kael ihre Faust mit vernichtender Kraft in den Bauch.
Kaels Welt versank für einen Moment in Dunkelheit.
Sein Körper gab nach. Ein schrilles Klingeln erfüllte seine Ohren, und der Geschmack von Blut füllte seinen Mund. Aber er war noch da. Immer noch … da.
Selbst während er geschlagen wurde. Selbst mit zerschmetterter Brust. Selbst mit gefesselten Armen.
Kael blickte zum Gesicht des Wächters hinauf.
„Du … wirst mehr als das brauchen …“
Dann hörte er Stellas Stimme in der Ferne:
„KAEL!!“
Sylphie hob mit zitternden Händen ihren Stab, ihre Augen waren voller Tränen. Irelia versuchte, Amelia zu schützen, die verzweifelt mit ihrer letzten Mana einen Teleportationszauber wirkte.
Sie waren alle am Ende ihrer Kräfte.
Und inmitten des Chaos, eingehüllt in einen Strudel aus Schmerz, umgeben von Monstern, die nur darauf aus waren, zu zerstören … schloss Kael die Augen.
Seine Gedanken versanken in Stille.
In der Dunkelheit seines Wesens pulsierte etwas. Etwas, das schlief.
Etwas, das ihn rief.
„… befreie mich …“
Die Rune auf dem Kopf des Großen Wächters leuchtete auf und bereitete den letzten Schlag vor.
Aber Kaels Körper … begann zu leuchten.
Nicht mit Mana.
Mit etwas Älterem. Dichterem. Urzeitlichem.
Für einen Moment wurden alle Runen um ihn herum dunkel.
Dann öffnete Kael die Augen – golden, lodernd vor Feuer.
Sein Schrei war der Funke.
„AAAAAAAAARGH!!“ Der ganze Tunnel bebte.