Die Morgensonne tauchte die steinernen Gänge der Akademie in ein warmes Licht und spiegelte sich schwach in den Buntglasfenstern, die Geschichten von alten Helden und legendären Magiern erzählten. Das Gemurmel der Schüler hallte durch die breiten Hallen, jeder eilte zu seinem Unterricht.
Kael ging ruhig mit den Händen in den Taschen und beobachtete den hektischen Strom von Schülern, die von einem Ort zum anderen rannten. Seine neue Uniform schien ein anderes Gewicht zu haben – nicht nur wegen der Veränderung seiner Kleidung, sondern auch wegen der Bedeutung, die sie hatte. Der schwarze Kampfanzug mit goldenen Details verlieh ihm ein edles und einschüchterndes Aussehen, während der dunkelrote Samtumhang sanft im leichten Wind wehte, der durch die steinernen Torbögen wehte.
„Scheint ein anstrengender Tag zu sein“, sagte er mit leicht gelangweilter Stimme, während er einer Gruppe von Schülern zusah, die sich mühsam über den Hof bewegten, ohne über ihre eigenen Umhänge zu stolpern.
„Wir sind gerade in der Eingewöhnungsphase“, antwortete Amelia neben ihm. Ihre Uniform war ähnlich wie seine, aber auf ihre Figur zugeschnitten, was ihr eine elegante und raffinierte Silhouette verlieh. Der eng anliegende Stoff ermöglichte Bewegungsfreiheit, ohne die imposante Wirkung der Kleidung zu beeinträchtigen. Sie strahlte eine natürliche Autorität aus, die zu ihrer neuen Position passte.
Kael sah sich um und nahm die Details der Akademie in sich auf. Der charakteristische Geruch alter Schriftrollen vermischte sich mit dem Aroma magischer Kräuter, die in Töpfen in den Gängen wuchsen. Die hoch aufragenden Türme der Einrichtung ragten in die Ferne und schienen fast die Wolken zu berühren, während schwebende Plattformen die Schüler zwischen den Gebäuden transportierten, ohne dass sie Treppen steigen mussten.
Im riesigen Innenhof herrschte reges Treiben. In lange Roben gehüllte Professoren diskutierten über Zaubersprüche und Theorien, während Kampfschüler in ausgewiesenen Bereichen Schwertkampf und Magie übten. Jeder Winkel der Akademie schien vor Wissen und Macht zu pulsieren – eine wahre Festung des Lernens und der Meisterschaft.
„Ich verstehe“, murmelte Kael und blickte auf die Schüler, die zu ihren Klassen eilten, wobei einige unterwegs noch ihre Zauberbücher und ihre Ausrüstung zurechtrissen.
„Da sind wir“, sagte Amelia und blieb vor einer riesigen schwarzen Eichentür stehen.
Amelia seufzte leise, verschränkte die Arme und musterte das magische Siegel in der Mitte der Tür. Es war ein Erkennungszauber, der jeden ohne entsprechende Berechtigung am Betreten hinderte. Ein interessantes Detail, wenn man bedenkt, dass sich hier die sogenannten „Stärksten“ der Akademie versammelten.
„Das heißt wohl, dass wir nicht einfach so reingehen können“, meinte sie und berührte leicht das Siegel, das auf ihre Berührung hin zu leuchten begann.
Kael schnalzte mit der Zunge. „Ich glaube, wir müssen nur zeigen, wer wir sind.“
Er hob die Hand, und in dem Moment, als seine Handfläche das Siegel berührte, breitete sich ein goldener Schein über das eingravierte Schwert aus. Die Energie floss, als wäre sie lebendig, erkannte ihre Anwesenheit und verschwand dann in einem Lichtblitz.
Die Tür quietschte leicht, bevor sie sich von selbst öffnete und den Blick ins Innere der Kammer freigab.
Dort herrschte eine ganz andere Atmosphäre als im Rest der Akademie. Die Steinwände waren mit Trophäen aus vergangenen Turnieren, Bannern alter Häuser und legendären Waffen in Kristallvitrinen geschmückt. Der Boden bestand aus schwarzem Marmor mit goldenen Verzierungen, der das Licht der blauen Flammen reflektierte, die auf schwebenden Kronleuchtern tanzten.
Und dann sahen sie sie.
Um einen großen runden Tisch saßen die Mitglieder des neuen Teams – die „Klingen“ der Akademie. Jeder von ihnen strahlte eine einzigartige Präsenz aus, und Kael wurde schnell klar, dass diese Gruppe alles andere als gewöhnliche Schüler waren.
Ein großer, muskulöser Mann mit schwarzen Haaren hatte die Füße auf dem Tisch und schärfte einen Dolch, ohne die Neuankömmlinge auch nur eines Blickes zu würdigen. Seine roten Augen funkelten raubtierhaft, als wäre er ständig auf der Suche nach einer Herausforderung.
Ein Mädchen mit dunkelblauen Haaren saß mit gekreuzten Beinen auf einem Stapel Bücher und knabberte an einer Feder, während sie ein Pergament studierte. Ihr Gesichtsausdruck war gleichgültig, aber die Luft um sie herum schien verzerrt, als würde sie den Raum selbst manipulieren.
In der Ecke des Raumes nippte ein junger Mann mit weißen Haaren und gelangweiltem Blick an einer verzierten Teetasse. Er strahlte eine fast irritierende Ruhe aus, als könne ihn nichts auf der Welt stören.
Und in der Mitte des Raumes, auf dem höchsten Stuhl sitzend, war ein Mann mit eleganter Erscheinung, der eine Uniform trug, die der von Kael und Amelia ähnelte, aber mit goldenen Abzeichen, die seine Führungsrolle kennzeichneten. Seine scharfen Augen musterten Kael und Amelia mit stiller Neugier, bevor er lächelte.
„So, ihr seid endlich da“, sagte er mit einer Stimme, die sowohl Neugier als auch Herausforderung verriet.
„Willkommen an unserem Tisch … Mal sehen, ob ihr es wirklich verdient habt, hier zu sein.“
Bevor Amelia reagieren konnte, passierte alles in einem Augenblick.
Der schwarzhaarige Mann mit den roten Augen, der gerade noch lässig seinen Dolch geschärft hatte, bewegte sich blitzschnell. Die Klinge glänzte in der Luft, als er sich direkt auf Kael stürzte, seine Geschwindigkeit und seine mörderische Absicht waren offensichtlich.
Aber was dann passierte, war überraschend.
Kael rührte sich nicht von der Stelle.
In dem Moment, als der Dolch seinen Hals durchbohren wollte, materialisierte sich vor ihm ein durchsichtiger Manaschild, der wie ein instinktiver Reflex zu sein schien. Der Aufprall klang wie ein Hammerschlag auf Glas, und magische Funken tanzten durch die Luft. Die Klinge blieb bewegungslos stehen, ohne auch nur die unsichtbare Barriere zu zerkratzen.
Der Angreifer riss die Augen auf, wich aber schnell zurück, drehte sich in der Luft und landete ein paar Meter entfernt mit einem verlegenen Grinsen.
„Na ja … anscheinend waren die Gerüchte nicht übertrieben“, sagte er, drehte den Dolch und steckte ihn dann in die Scheide.
Kael hingegen zeigte keinen Sinn für Humor. Sein Blick war scharf wie eine Klinge, kalt wie Stahl. Für einen Moment schien der Raum schwerer zu werden, der Druck um sie herum nahm zu, als würde die Atmosphäre selbst auf seine Unzufriedenheit reagieren.
Amelia runzelte die Stirn und spürte, wie ihr ein Schauer über den Rücken lief. Das war nicht der faule Kael, der den Unterricht verschlafen hatte … das war ein Raubtier.
„Wenn du das noch einmal versuchst …“, brach Kael schließlich das Schweigen, seine Stimme leise und schneidend. „Dann gibt es keinen Schild mehr. Nur noch einen Körper auf dem Boden.“
Der Mann mit den roten Augen hob die Hände und lachte nervös. „Entspann dich, entspann dich, das war nur ein Test … Ich muss mit eigenen Augen sehen, wer zu uns kommt, oder?“
Der Anführer der Gruppe, der immer noch saß, klatschte langsam in die Hände, als würde er sich amüsieren. „Beeindruckend. Und ich dachte schon, wir müssten den Neulingen erst eine Lektion erteilen …“
Kael antwortete nicht sofort, sondern stieß nur einen genervten Seufzer aus, während die Anspannung in seinem Blick allmählich nachließ. Aber die Botschaft war bereits angekommen.
Mit ihm war nicht zu spaßen.
Es herrschte einige Sekunden lang bedrückte Stille im Raum, bis Kael schließlich sprach:
„Kael Scarlet.“
Sein Name hallte durch den Saal, aber es war sein Nachname, der die Mienen veränderte. Die Atmosphäre schien noch bedrückender zu werden, und selbst diejenigen, die bis jetzt noch selbstbewusst gewirkt hatten, zeigten nun Anzeichen von Unsicherheit.
Amelia bemerkte die Reaktion und nutzte den Moment. Sie richtete sich auf, legte eine Hand auf die Hüfte und warf der Gruppe einen entschlossenen Blick zu, bevor sie sich mit derselben kontrollierten Kälte vorstellte:
„Amelia Valroth.“
Diesmal war die Stille, die folgte, anders. Es war nicht nur Überraschung – es war Anerkennung.
Zwei bedeutende Namen hatten sich ihnen gerade angeschlossen.
Die Stille wurde von einem leisen, rauen Lachen unterbrochen.
„Tsk, das wird ja interessant.“
Der Mann, der Kael angegriffen hatte, erholte sich als Erster. Er drehte den Dolch zwischen seinen Fingern, bevor er ihn in einem Holster an seiner Brust verstaute, und grinste dann scharf.
„Zane Drakmor.“ Seine Augen leuchteten mit einer Mischung aus Respekt und Provokation. „Wenn wir zusammenarbeiten sollen, lass mich wenigstens sehen, was du drauf hast.“
Kael ignorierte ihn komplett, als würde er nicht existieren, was Zanes Grinsen nur noch breiter werden ließ.
Als Nächste meldete sich eine junge Frau mit goldenen Haaren, die zu einem langen Zopf geflochten waren. Ihre smaragdgrünen Augen musterten Kael und Amelia neugierig. Ihre Uniform war makellos und sie trug sich wie jemand, der an eine Führungsrolle gewöhnt war.
„Clarissa Von Edelweiss.“ Ihre Stimme war fest und kultiviert und hatte einen leichten adligen Akzent.
„Wenn ihr ausgewählt wurdet, Teil der Klinge zu sein, habt ihr wohl eure Verdienste. Ich hoffe, ihr enttäuscht mich nicht.“
Amelia warf Kael einen kurzen Blick zu, bevor sie Clarissa leicht zunickte.
Neben ihr verschränkte ein großer, muskulöser Mann die Arme. Seine Haut war leicht gebräunt, und sein kurzes, zerzaustes braunes Haar umrahmte seine goldenen Augen, die wild funkelten.
„Darius Ironfang.“ Seine Stimme war tief und klang ziemlich lässig. „Schön, dass wir noch mehr starke Leute dabei haben. Aber kommt mir bloß nicht in die Quere.“
Kael hätte fast über die Ironie dieser Aussage gelacht, blieb aber still.
Als Nächstes richtete sich ein schlanker junger Mann mit Brille auf. Seine Uniform war leicht verändert und mit magischen Symbolen auf den Ärmeln bestickt.
Sein dunkelblaues Haar fiel ihm über die scharfen Augen, und er musterte Kael und Amelia mit berechnendem Interesse.
„Liam Solcrest.“ Sein Tonfall war neutral, aber sein Blick machte deutlich, dass er die neuen Mitglieder bereits einschätzte.
Schließlich lehnte sich ein braungebranntes Mädchen mit kurzen schwarzen Haaren mit verschränkten Armen an die Wand. Sie wirkte gleichgültig, aber in ihrem blutroten Blick lag etwas, das davor warnte, sie zu unterschätzen.
„Riven Noctis.“ Sie hob eine Augenbraue. „Mal sehen, ob ihr auch wirklich als Team spielen könnt.“
Die Gruppe war nun komplett.
Kael musterte jeden einzelnen von ihnen. Das würden seine Verbündeten sein … oder seine zukünftigen Probleme.
„Also, wie geht es weiter?“, fragte er mit gleichgültiger Stimme.
Bevor jemand Kaels Frage beantworten konnte, flog die Tür mit einem lauten Knall auf.
„ICH BIN DA!“
Die aufgeregte Stimme verstummte abrupt.
Das Mädchen, das gerade hereingekommen war, erstarrte für einen Moment, ihr goldenes Haar schimmerte im magischen Licht des Raumes. Ihre strahlend blauen Augen weiteten sich vor Schreck, als sie auf Kael fielen.
Dann schoss sie wie ein Blitz auf ihn zu.
„KAELLL!!!“
Kael hatte nicht einmal Zeit zu reagieren.
Der Aufprall war so stark, dass er einen Schritt zurücktaumelte, während sich dünne, aber überraschend kräftige Arme um seinen Hals schlangen.
„Was …?“
Im ganzen Raum herrschte fassungslose Stille. Zane stieß einen leisen Pfiff aus, Clarissa hob eine Augenbraue und Amelia … nun ja, ihr Gesichtsausdruck verhärtete sich augenblicklich.
Das Mädchen zog sich gerade so weit zurück, dass sie ihn besser sehen konnte, ihre Hände umklammerten immer noch seine Schultern.
„Ich kann es nicht glauben! Es ist so lange her – endlich habe ich dich gefunden!! Hast du nie nach mir gesucht? Hast du mir nie ein Zeichen gegeben?! Hast du eine Ahnung, wie sehr ich dich gesucht habe?“
Kael blinzelte ein paar Mal, bevor er einen Seufzer ausstieß.
„Irelia …“ Der Name kam fast wie ein Flüstern über seine Lippen, aber es reichte aus, um alles zu bestätigen.
„Also … ihr kennt euch?“, fragte Darius mit verschränkten Armen und einem neugierigen Blick.
„Uns kennen?“, rief Irelia und drehte sich zu den anderen um. „Kael ist mein Trainingspartner! Er war jeden Tag mein Rivale! Mein Schüler!“