Sein alles sehendes Auge leuchtete noch heller, als er seine Ätherkraft aufbaute.
Alle möglichen formalen Kombinationen schossen ihm durch den Kopf.
Er sah eine Kombination, die ihm besonders auffiel, eine, von der er hoffte, dass sie nicht nötig sein würde.
Claus griff in eine abgenutzte, verstärkte Reisetasche, die im Voraus für ihn vorbereitet worden war. Er holte mehrere Fläschchen heraus – jedes mit verblassten, geheimen Etiketten versehen – und ein seltsames schwarzes Metallkragen-Gerät mit einem blau-goldenen Kristall in der Mitte.
In dem Moment, als die Chemikalien die Tasche verließen, rief der Wissenschaftler hinter den Fenstern erschrocken:
„Was zum Teufel macht er da?“
„Er wird sich umbringen!“
„Das verstößt gegen die Gesetze der Union!“, brüllte ein leitender Forscher und schlug mit der Faust gegen das verstärkte Glas.
Claus würdigte sie kaum eines Blickes.
Stattdessen stellte er die Fläschchen mit äußerster Präzision ab und musterte mit seinem leuchtend blauen Auge die Etiketten. Seine linke Hand zuckte heftig aufgrund der Mutation, aber er hielt sie ruhig. Dann bellte er mit scharfer, befehlender Stimme:
„Halt die Klappe! Ich weiß, was ich tue.“
Trotz seiner Worte herrschte Panik im Raum. Ein jüngerer Wissenschaftler, der sichtlich überfordert war, wandte sich mit verwirrtem Gesichtsausdruck an einen der leitenden Forscher. „Was – was genau hat er vor? Warum verhalten sich alle, als würde er Selbstmord begehen?“
Der ältere Wissenschaftler atmete scharf aus, sein Gesichtsausdruck war grimmig. „Diese Medikamente – Aeriostatin-B12 und Polymerase-Inhibitor X3 – wurden vor Jahrzehnten verboten. Aeriostatin sollte die neuronale Degeneration stabilisieren, hat aber fast alle Testpersonen durch tödliche Schlaganfälle umgebracht. P.I.X3 sollte die unkontrollierte DNA-Replikation blockieren, war aber zu wirksam – es hat die Organfunktionen komplett lahmgelegt, was zu katastrophalen Ausfällen geführt hat.“
Der jüngere Wissenschaftler riss entsetzt die Augen auf. „Warum dann …?“
„Er spielt mit dem Feuer“, murmelte der ältere Mann und beobachtete Claus aufmerksam. „Er versucht, die Mutation zu verlangsamen, ohne seinen Körper lahmzulegen. Aber wenn er das Verhältnis falsch berechnet …“
„Dann stirbt er.“
Der junge Wissenschaftler wurde vor Schreck blass.
Claus ließ sich von den laut werdenden Protesten nicht beirren, er kannte die Risiken.
Trotzdem. Er hatte keine Wahl.
Er passte die Verhältnisse an – 0,8 ml Aeriostatin, 1,2 ml X3. Genug, um die Mutation zu verlangsamen, ohne sein Blut zu gerinnen.
Die Spritze zischte, als er die Mischung aufsaugte.
Er drückte die Nadel gegen seinen linken Arm.
SNAP.
Die Nadel verbog sich beim Aufprall.
Seine Haut war zu hart geworden.
„Tch …“, stieß Claus scharf aus und veränderte seinen Griff. Er packte die Spritze mit seiner mutierten linken Hand und zwang seine grotesken Finger, ihm zu gehorchen.
Seine Krallen kratzten gegen das zerbrechliche Glas der Spritze, als er die Nadel stattdessen in seinen rechten Arm rammte.
Die Flüssigkeit schoss in seine Adern.
Die Reaktion erfolgte sofort.
Die Mutation zuckte. Seine Zellen schwankten zwischen Verfall und Regeneration. Seine Nerven fühlten sich an, als stünden sie in Flammen, jeder Zentimeter seines Körpers schrie vor Schmerz.
Dann – Klarheit.
Das sich windende Gebilde verlangsamte sich. Seine Gedanken, die zuvor verschwommen waren, wurden wieder klar.
Es funktionierte.
„Hah … ha …!“, stieß Claus ein kurzes, atemloses Lachen aus. „Das ist es!“ Sein leuchtendes Auge huschte zu seiner Forschungskonsole, seine Finger flogen über die holografische Tastatur, während er jedes Detail aufzeichnete.
Die Wissenschaftler draußen schauten voller Ehrfurcht zu.
Dann griff Claus nach einer weiteren Spritze.
Und injizierte sich erneut.
Und noch einmal.
Und noch einmal.
Die Mutation verlangsamte sich, aber die Dosis wirkte bereits auf ihn.
Einer der jüngeren Wissenschaftler trat vor. „Dr. Claus – er spritzt zu viel!“
„Lass ihn“, sagte Dr. Elric mit ernster Stimme. „Er kennt seine Grenzen besser als wir.“
Schließlich atmete Claus scharf aus, sein Körper war stabil – aber nicht geheilt. Seine Hand zuckte, als er nach seinem letzten Experiment griff.
Ein Gerät, das er zuvor herausgeholt hatte und das am anderen Ende seines Arbeitstisches stand.
Der Unterdrückungskragen.
Es war ein Prototyp, der ein lokales magisches Dämpfungsfeld erzeugen sollte, um unregelmäßige Manaspitzen abzuschneiden und das seltsame Mana zu stoppen, das die Zellteilung der Viren unterstützte. Der Kernmechanismus war ein ätherischer Frequenzregulator – etwas, das aus Energie-Waffen der Klasse 3 gestohlen und so umkonfiguriert worden war, dass er auf eine Energie abzielte, die der seines Segens ähnelte.
Er griff danach und legte ihn sich um den Hals.
Die Wirkung trat sofort ein.
Eine Energiewelle durchfuhr ihn – pure Qual. Seine Muskeln verkrampften sich, seine Adern leuchteten matt silbern, und für einen schrecklichen Moment zuckte seine mutierte Hand unnatürlich.
Claus schrie.
Die Wissenschaftler, die zusahen, konnten nichts tun.
Dann –
Stille.
Claus keuchte und krümmte sich. Die Mutation an seiner linken Seite war noch da – seine groteske Hand war immer noch verdreht und unmenschlich. Aber er war bei klarem Verstand.
Seine Haut war gespenstisch blass geworden. Sein einst silberblaues Haar war jetzt komplett silbern.
Langsam stand er auf. Seine leuchtend blauen Augen fixierten die Wissenschaftler hinter der Glasscheibe.
Seine Stimme war heiser, aber fest.
„Bringt mir neue Kleidung.“
Niemand rührte sich.
Dann nickte Dr. Elric. „Verstanden.“
Während sie sich beeilten, exhalierte Claus und fuhr sich mit der Hand durch sein jetzt aschgraues Haar.
Das war keine Heilung.
Aber es reichte – vorerst.
Während die Wissenschaftler ihm schnell neue Klamotten brachten, atmete Claus langsam und tief durch. Sein Körper schmerzte noch von der Spritze, und der Unterdrückungskragen summte leise um seinen Hals. Er bewegte seine linke Hand – sie war immer noch grotesk mutiert, aber jetzt kleiner und ähnlich geformt wie seine menschliche Hand, nur dass sie noch immer weit weniger glänzte.
Dann sprach er.
„Talentfenster öffnen.“
Ein tiefer Gong hallte in seinem Kopf wider.
Anstelle des üblichen blauen Displays erschien ein purpurrotes Systemfenster vor ihm.
[TALENTSTATUSFENSTER GEÖFFNET]
Claus runzelte die Stirn. Purpurrot? Wann hat sich das geändert?
Sein Blick huschte über das Display, aber als er weiterlas, stockte ihm der Atem.
> Name: Claus █████
Alter: 27
Talente:
Allsehendes Auge des Mondes (Segen) Rang A
Teilweise Unsterblichkeit (Mutation) Rang SS
Absolute Regeneration – Infektion (Mutation) Rang SS
Gesamt-Rangklassifizierung der Talente: █████ (Segen & Mutation Hybrid – Nicht klassifiziert)
Statistiken:
Stärke: 32.410
Beweglichkeit: 30.981
Intelligenz: 34.772
Ausdauer: 31.506
Mana: 36.228
Geschicklichkeit: 30.650
Glück: 30.212
Gesamtkampfkraft: 226.759
Claus‘ Augen weiteten sich.
„Diese Zahlen …“
Seine Werte waren in die Höhe geschossen, weit über das hinaus, was möglich sein sollte. Seine Stärke, seine Beweglichkeit, seine Intelligenz – alles hatte sich seit seiner letzten Überprüfung verdreifacht. Und dann waren da noch die beiden neuen Talente.
Sub-Unsterblichkeit.
Absolute Regeneration – Infizieren.
Die Worte ließen seinen Magen umdrehen. Mutation … das hat die Mutation mit mir gemacht.
Sein Blick huschte zum oberen Rand des Fensters.
Sein Nachname war … verschwunden.
Ein kaltes Gefühl der Unruhe kroch ihm den Rücken hinunter. Das System hatte seinen Nachnamen gelöscht – warum? Was bedeutete das?
Bevor er weiter darüber nachdenken konnte, wurde er von einer Stimme unterbrochen.
„Dr. Claus“, sagte einer der Wissenschaftler und trat mit einer ordentlich gefalteten Uniform vor. „Ihre Kleidung.“
Claus atmete langsam aus und schloss das Fenster. Das rote Leuchten verblasste.
Er würde sich später mit den Konsequenzen befassen.
Er nahm die Kleidung entgegen. „Gut. Jetzt lass uns wieder an die Arbeit gehen.“